Was soll man da noch diskutieren? Alle haben sich schuldig gemacht. Am wenigsten, so glaube ich,
Baschar-al Assad. Der hat nur seine Pflicht und sein Recht als Päsident wahr genommen, sein Land und das syrische Volk vor Aufständischen und Eindringlingen zu schützen. Aber natürlich, Krieg ist ein Ungeheuer und gebiert immer größere. Ich kann nur hoffen das nach so viel Leid und Elend endlich die Parteien zur Vernunft kommen. Legt die Waffen nieder! Übt keine Rache! Vergebt einander! Alle ausländischen Mächte und Gruppierungen sollten das Land verlassen. Und die rechtmäßige Regierung sollte wieder über das ganze Land Macht erhalten. Aussöhnung sollte die Grundlage für die Heilung aller geschlagenen Wunden sein. Und Alle, die bisher Waffen und Kämpfer in das Land geschickt haben, sollten im gleichen Maße Mittel zum Wiederaufbau geben.
Utopisch. Wir glauben doch alle an die Macht der Liebe. Beweisen wir unseren Glauben!
»Ohne Euch sind wir verloren«
Syrien: Der Krieg wird immer schlimmer. Von Demokratie redet kaum noch jemand. Der evangelische Pfarrer von Aleppo hat nur noch eine Hoffnung. Und eine Bitte.Am letzten Donnerstag im August gegen 11.45 Uhr erlebte Pfarrer Haroutune Selimian ein Wunder. Wieder eines. Mit Gasflaschen gefüllte Raketen schlugen in der Nähe seiner armenisch-evangelischen Bethel-Kirche und ihrer Schule ein. Sechs Einwohner in der Nachbarschaft töteten sie. Aber in der evangelischen Kirche gingen nur farbige Fenster zu Bruch und die Schulbüros wurden verwüstet.
»Gott beschützte sein Haus«, schreibt Pfarrer Selimian danach. »Aber Sie können sich vorstellen, wie sich die Lehrer, Mitarbeiter und Schüler gefühlt haben als sie die Raketen in ihre Richtung fliegen sahen und nicht wussten, wohin sie rennen sollten.« Es war das sechste Mal in diesem syrischen Bürgerkrieg, dass die in einem von Assad-Truppen gehaltenen Stadtviertel liegende evangelische Schule von Aleppo beschädigt wurde.
Fast jeden Tag Beschuss, viele Monate ohne Strom, Wasser, Telefon, Internet und dazu ein schier unglaublicher Mangel an Öl, Benzin und Essen – so beschreibt Pfarrer Haroutune Selimian gegenüber dem Sonntag die Situation seiner Gemeinde im umkämpften Aleppo. Er kann jeden verstehen, der flieht. Trotzdem sagt er unablässig: »Die Kirche ist hier, um zu bleiben. Das ist der Ort, wo Gott uns haben will genau in dieser Zeit.«
Der Pfarrer ruft alle syrischen Autoritäten auf, endlich für Sicherheit zu sorgen. Doch es scheint ihm, als würde die schreckliche Lage nur noch immer schlimmer. Syrische Regierungstruppen schließen mit Unterstützung russischer Bomben den Belagerungsring um den Ostteil Aleppos, die zu großen Teilen islamistischen Rebellen schießen von dort zurück. Und die Christen fürchten die Islamisten. Der letzte Rest der demokratischen Bewegung, die am Anfang der syrischen Revolution gestanden hatte, wird zwischen diesen Fronten zermalmt.
Aber es gibt sie noch. Abdallah al-Khateeb (27) zum Beispiel, ein demokratischer Aktivist aus Yarmouk, einem Vorort von Damaskus. Der wird seit dem Frühjahr vom IS besetzt – und seit drei Jahren von Regierungstruppen belagert. »Sowohl das Regime als auch die Islamisten zielen ständig auf uns«, sagt Abdallah al-Khateeb gegenüber der in Leipzig sitzenden Organisation »Adopt a Revolution«, die Demokraten in Syrien unterstützt.
Ende Juni traf ihn nachts auf offener Straße eine Kugel von IS-Terroristen. Ein gezielter Mordanschlag, sagt er. Der Grund: Al-Katheeb betreibt mit anderen Aktivisten freie Schulen, sie organisieren zivilen Widerstand und dokumentieren in Medien die Verbrechen beider Seiten.
Woher soll in all dem Grauen des syrischen Krieges noch Hoffnung kommen? »Ja, wir haben oft die Hoffnung auf den Menschen verloren«, gibt Pfarrer Selimian aus Aleppo zu. »Aber unsere Hoffnung auf Gott ist größer denn je. Wir haben gesehen, dass wir niemanden anderes haben.«
Hoffnung macht Haroutune Selimian, dass die Leiden der Syrer nicht vergessen sind. Gerade hat das evangelische Gustav-Adolf-Werk von Leipzig aus Spenden nach Aleppo überwiesen, Schule und Kirche sind wieder repariert. Hoffnung gibt ihm auch ein Blick zurück zu seinen armenischen Vorfahren. Nur wenige Alte und Waisen fanden nach dem Völkermord an den Armeniern vor 100 Jahren Zuflucht in Aleppo – und bauten doch in der Stadt etwas Großes auf. Auch die heutige Tragödie werde eines Tages überwunden sein, hofft der Pfarrer.
»Ich schreibe dies mit Tränen in meinen Augen«, so schickt Haroutine Selimian seine Nachricht von Aleppo nach Sachsen. »Könnt Ihr für uns beten? Ohne Euch und die Kirche in aller Welt sind wir verloren wie die Armenier, die durch den Völkermord gingen und von denen nur sehr wenige überlebten.«
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
Zum Vergrößern hier klicken.
Weitere Impressionen finden Sie hier.
Diskutieren Sie mit