Streitfall ungeborenes Leben
Marsch für das Leben: Während die Abtreibungen zunehmen, treffen in Berlin Gegner und Befürworter hart aufeinander. Die Position der Kirche ist dabei nicht ganz eindeutig.
Wenn am Sonnabend der »Marsch für das Leben« in Berlin startet, sind scharfe Proteste programmiert. Während die Abtreibungsgegner ihre traditionelle Demonstration unter das Motto stellen »Die Schwächsten schützen: Ja zu jedem Kind«, will ein Bündnis vor allem linkspolitischer Kräfte unter der Parole »My body, my choice« (»Mein Körper, meine Wahl«) laut Ankündigung »den christlichen Schweigemarsch stoppen«.
Dabei legt der »Marsch für das Leben« den Finger in eine Wunde: Die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche verharrt in Deutschland auf einem hohen Niveau. Im ersten Halbjahr 2017 ist die Zahl der Abtreibungen sogar im Vergleich zum ersten Halbjahr 2016 um zwei Prozent auf 52 200 gestiegen. Dieser getöteten Kinder will der Marsch gedenken – und für ein totales Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen eintreten. »Wir fordern Politik und Gesellschaft auf, das schreiende Unrecht der Abtreibung zu beenden, Tötung durch Selektion zu verhindern und das erneute Aufkommen der Euthanasie zu stoppen«, so die Organisatoren. Neben einer »Willkommenskultur für jedes ungeborene Kind« fordern sie auch das Verbot der Pränataldiagnostik.
Einige Kirchenführer solidarisieren sich durch Grußworte mit dem Marsch. Dabei lässt sich die offizielle kirchliche Position zu dem Thema nicht auf eine klare Demonstrations-Parole herunterbrechen. In der Erklärung der beiden großen Kirchen mit dem Titel »Gott ist ein Freund des Lebens« heißt es zwar: »Schwangerschaftsabbruch soll nach Gottes Willen nicht sein«. Aber dort steht auch: »Wenn eine Schwangere sich nicht in der Lage sieht, das in ihr heranwachsende Leben anzunehmen, darf ihre Entscheidung, obwohl gegen Gottes Gebot, nicht pauschal und von vornherein als selbstherrliche Verfügung über menschliches Leben verurteilt werden.« Vielmehr sei dies eine »Herausforderung zum Gespräch, zum Mitfühlen und zu tatkräftiger Hilfe«.
In diese Richtung zielt die Schwangerschaftskonfliktberatung, die gesetzlich vorgeschrieben ist und auch von der Diakonie angeboten wird. Laut Gesetz soll diese Beratung zwar dem »Schutz des ungeborenen Lebens« dienen, aber gleichzeitig »ergebnisoffen« geführt werden.
Für Professor Ulf Liedke von der Evangelischen Hochschule in Dresden steckt ein tiefer Sinn in der ergebnisoffenen Beratung. Denn in der schwierigen Konfliktsituation einer ungewollten Schwangerschaft hilft moralischer Druck nicht weiter. Vielmehr solle es darum gehen, »einen Sprachraum zu öffnen, damit die Schwangere, beziehungsweise das Paar ihre Ängste, Fantasien und Befürchtungen aussprechen kann.« Die Beratung könne dabei helfen, die Konfliktsituation durchzuarbeiten und im Stimmengewirr die eigene Stimme zu finden.
Klar müsse allerdings die Folge einer Abtreibung benannt werden: »Dass ein Abbruch bedeutet, gegenüber dem Leben des abgetriebenen Ungeborenen schuldig geworden zu sein«. Gleichzeitig entziehe es sich aber einer letzten Beurteilung von außen, »wenn eine Schwangere nach intensiver Beratung und intensiver Abwägung für sich zu dem Ergebnis kommt: ich kann nicht Mutter dieses Kindes werden«. Da diese Sichtweise beim »Marsch für das Lebens« nicht vorkommt, kann sich Liedke eine Teilnahme nicht vorstellen.
Offener scheint da Landesbischof Carsten Rentzing zu sein. In einem Grußwort an den letztjährigen Marsch schrieb er, dass Gottes Wille gegen eine »Kultur des Todes« stehe, die sich in dieser Welt immer weiter ausbreiten möchte. Er wünscht sich eine Debatte über die Grenzen des Lebens, die von einer »Kultur des Lebens« geprägt sei. Eine solche Debatte scheint am Sonnabend in Berlin nicht möglich zu sein.
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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