Fasten für den Frieden
Fastenzeit: Sieben Wochen steht nun das Leiden Jesu vor Augen – und die Frage, wo sein Kreuz heute steht. Fasten könnte heißen, den Skandal der Kriegspolitik zu durchschauen.
Es ist wieder so weit: am Mittwoch beginnt die alljährliche Fastenzeit. Vielerorts beginnen Christen das Fasten und lassen sich mit dem Aschekreuz segnen – als Zeichen des Verbundenseins mit dem Weg Jesu. Dieser war ein Kreuzweg – ein Hinabsteigen in tiefstes menschliches Leiden. Eine Marter. Gott hat das Kreuz erwählt als Ort seines Erscheinens in der Welt – das bekennen und beten wir, tapfer und manchmal ohne es wirklich zu begreifen. Gott hat die Asche erwählt, um seine zweite Schöpfung zu beginnen – die Verwandlung des Todes in ewiges Leben und des Leidens in ewiges Lieben.
Nur in diesem Vertrauen kann die Asche der Welt ertragen werden. Wie in einem Akt der trotzigen Vorwegnahme nehmen Christen das Aschekreuz auf sich, wissend, dass es schon der Stoff des neuen, ewigen Lebens ist.
Bisweilen erscheint angesichts dieser Tiefe der Passion Jesu die offizielle Fastenaktion der Kirche wie eine Banalisierung. In diesem Jahr steht sie unter dem Motto »Zeig dich! Sieben Wochen ohne Kneifen«. Es ist ein Impuls, Zivilcourage zu wagen, Mitgefühl zu zeigen, die eigene Fehlbarkeit einzugestehen oder zu den eigenen Werten zu stehen. Das ist gut und richtig. Doch antwortet das auf die Frage des Kreuzes? Wo steht das Kreuz heute? Welche Asche zermartert heute die Welt? Das Kreuz trug und trägt doch Namen!
Afrin. Der nordsyrische Ort wird seit Wochen belagert und beschossen – mit unzähligen Opfern. Jemen. Der jahrelange Krieg gegen das südarabische Land wird immer schmutziger. Und dann die unzähligen Kriege und Konflikte, die jenseits der Wahrnehmung passieren. Die Asche ist im Angesicht dieser Kriege Wirklichkeit, kein bloßes Symbol.
Die Asche auf der Stirn. »Herr stärke mich, dein Leiden zu bedenken.« Die Fastenzeit könnte dafür da sein, die Sünde der Gleichgültigkeit zu bekämpfen. Dass uns das Leiden der Welt etwas angeht. Dass wir uns nicht daran gewöhnen. Dass wir im Angesicht der Kriege, der Schlachthäuser, der ertrinkenden Flüchtlinge nicht – wie die meisten – das Weinen vergessen.
Es stimmt, was Papst Franziskus 2013 auf der Flüchtlingsinsel Lampedusa gesagt hat: »Wir leben in einer Gesellschaft, die die Erfahrung des Weinens vergessen hat, des Mit-Leidens: Die Globalisierung der Gleichgültigkeit!« Er bat damals um »die Gnade der Tränen«. Und dass wir auch heute noch die Stimme Gottes hören, die uns fragt: »Wo ist dein Bruder?«
Und so könnte Fasten heute auch bedeuten, die dröhnende Meinungsmache der Mächtigen ins Leere laufen zu lassen und selber zu sehen und zu fühlen. Dann erscheint es schlicht als Skandal, dass Deutschland als drittgrößter Waffenexporteur die Kriege auf der Welt anheizt. Fasten könnte heißen, die Nahrung der Kriegsapostel zu verweigern, die Rhetorik der Kriegstreiber zu durchschauen und zu erkennen, was Jesus schon erkannte: Frieden entsteht nicht durch Abschreckung und Aufrüstung. Sondern durch Abrüsten, im Dialog, im Bereitsein zum Teilen.
Fasten heute könnte bedeuten, das Säbelgerassel der NATO-Chefs und vermeintlichen Sicherheitspolitiker zu ignorieren und den Skandal der Zahlen auf sich wirken zu lassen: dass alle zehn Sekunden ein Kind an den Folgen von Unterernährung stirbt. Und gleichzeitig die deutschen Militärausgaben bis 2024 auf zwei Prozent des Brutto-Inlandprodukts steigen sollen: das wären rund 70 Milliarden Euro. Nicht für Maßnahmen gegen Hunger und für Bildung, sondern für Panzer und Bomben. Fasten könnte heißen, neu zu fragen: Wem nutzt diese Kriegspolitik eigentlich?
Fasten für den Frieden könnte tatsächlich bedeuten, sich zu zeigen. Zum Beispiel auf der Demonstration gegen die NATO-Sicherheitskonferenz am 17. Februar in München. Oder in der konkreten Solidarität mit Leidenden.
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Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna