Kleines Land, großes Wunder
Jubiläum: Am 14. Mai jährt sich Israels Staatsgründung zum 70. Mal. Für unsere Autorin ist Israel Heimat – und ein Wunder. Doch auch eine verlorene Heimat trägt sie in sich: Leipzig.Für mich bedeutet das Wort »Israel« Heimat – im vollen Sinn des Wortes. Hier bin ich vor über 70 Jahren geboren. Hier bin ich erzogen und von unserer Kultur umarmt worden. Israel – das ist diese einzigartige Mischung vieler Kulturen, dieser besondere Wechsel der Jahreszeiten, die Natur, die Gerüche – in einem Wort: alles, was ein Land zur Heimat macht. Natürlich beeinflusst auch meine Familiengeschichte mein Leben in und mein Blick auf Israel.
Meine Mutter stammt aus Leipzig, mein Vater aus Berlin. Sie kamen in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts nach Israel – gegen ihren Willen. Beide stammen aus nichtreligiösen, liberalen Elternhäusern – sie wurden »Deutsche mosaischen Glaubens« genannt. Die Kultur bei mir zu Hause war sehr deutsch geprägt – mit Disziplin, Gewissenhaftigkeit, Musik und Literatur und der deutschen Sprache. Ich habe eine besondere Beziehung zu Deutschland und natürlich zu Leipzig. Viel habe ich über das große Haus am Rand von Leipzig gehört, das der Familie meiner Mutter gehörte. Hier ist auch ein großes Familiengrab.
Ich habe deutsche Musik und die »Deutsche Welle« gehört – zusammen mit meinem Großvater, der aus Berlin kam. Seine Sehnsucht nach Deutschland hat bis zu seinem Tod nie aufgehört. Auch meine Großmutter blieb tief verwurzelt in der deutschen Kultur. Sie ist 1974 im Alter von 75 Jahren aus Israel nach Deutschland zurückgekehrt – nach 38 Jahren in Israel! Sie ist zurückgekehrt in ihre »Heimat«, wie sie sagte – ein Jahr nachdem ihr Mann gestorben war. Allerdings hat die Mehrheit meiner Familie diesen Schritt nicht akzeptiert. Auch möchte ich eine Tante erwähnen, die nie einen Fuß auf deutschen Boden gesetzt hat.
Ich selbst habe eine der ersten deutsch-israelischen Austauschprogramme organisiert und kam auf diese Weise nach Deuschland. Seither habe ich zahlreiche Austauschprogramme zwischen deutschen, jüdischen und arabischen Jugendlichen organisiert. Mein Ziel ist, diese Menschen zusammenzubringen, damit sie sich kennenlernen und gegenseitig akzeptieren.
Der 70. Geburtstag des Staates Israel ruft in mir viele Gefühle wach. Als ich ein Kind war, fuhren hier nur wenige Busse umher, viele Straßen waren unbefestigt. Wenn ich heute durch das Land fahre und mich umschaue, sehe ich Autobahnen, Hochhäuser, Fabriken, Theater – alles, was man in der modernen Welt finden kann. Natürlich denkt man während der Feierlichkeiten nicht an das, was alles noch der Verbesserung bedarf, sondern dass in 70 Jahren solch eine gewaltige Entwicklung stattgefunden hat. Zum Beispiel belief sich die Bevölkerung im Jahr 1948 auf 650 000 Menschen. Heute sind es 8,5 Millionen.
Viel verdanken wir Israels erstem Staatspräsidenten: David Ben-Gurion. Er hat Israel zur Zufluchtstätte für die Juden der ganzen Welt erklärt. Auf der anderen Seite klingt diese Rede von Israel als Zufluchtsort für mich auch schrecklich. Warum sollten Juden eine Zuflucht brauchen? Warum können sie nicht überall in Sicherheit leben wie alle anderen?
Für die Zukunft meines Landes wünsche ich mir zuallererst Frieden und Sicherheit. Der Staat Israel ist ein kleiner Staat und ich habe kein Problem damit, ein kleiner Staat zu bleiben, wenn er doch ein sicherer Staat ist. Da ich nicht mehr ganz so jung bin, geht meine Sorge zu den jüngeren Generationen. Ich sehe, wie wunderbar sie sind. Ihre Vitalität und Liebe zum Leben macht mir Hoffnung, dass wir nicht zu lange auf Frieden warten müssen. Und dann alle unsere Energien einsetzen können, um diese Region weiter zu entwickeln.
Gaby Knoll (72) ist 1946 als Kind deutsch-jüdischer Einwanderer in Israel geboren und lebt heute in Petach Tikvah. Seit Jahrzehnten organisiert sie israelisch-deutsche Jugendaustauschprogramme.
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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