Der Islam – Freund oder Feind?
Religionen: Kaum ein Tag vergeht ohne Debatte über den Islam. Wie nah oder fern ist er uns? Er fordert heraus, den eigenen Glauben zu bedenken.
Kaum eine Religion erhitzt derzeit die Gemüter mehr als der Islam. Er fordert heraus – und erzeugt Angst. Einer aktuellen Umfrage zufolge gaben 42 Prozent der Ostdeutschen an, dass der Islam etwas sei, »das einem Angst macht«.
Auf den ersten Blick klingt das paradox. Denn in Sachsen liegt der Anteil von Muslimen unter einem Prozent. Doch es scheint, als bündelt sich im Islam all das Unbehagen des Lebens in einer unübersichtlich gewordenen Welt.
Doch wie nah oder fern ist uns der Islam eigentlich? Die Schnittmengen zwischen Christentum, Judentum und Islam sind groß. Alle drei gründen auf dem Abraham-Bund und glauben an den einen Gott. »Alle drei Religionen glauben, dass dieser Gott die Welt geschaffen hat und dass er der einzige wahre Gott ist. Das verbindet uns«, erläutert Harald Lamprecht, Weltanschauungsbeauftragter der sächsischen Landeskirche. Allerdings seien sich die drei Religionen nicht einig, welche heilige Schrift(en) als Offenbarung Gottes gelten: die Hebräische Bibel, das Neues Testament oder der Koran.
Glauben wir also an den gleichen Gott? Lamprecht findet darauf keine einfache Antwort. Der Glaube, dass Gott in Jesus zu den Menschen gekommen ist, sei zentral für die Christen – und werde von Juden und Muslimen nicht geteilt. »Weil Christen an den dreieinigen Gott glauben, ist es nicht einfach ›der gleiche‹ wie bei Juden und Muslimen – auch wenn wir eigentlich keinen anderen meinen«, so Lamprecht. Von daher seien wir so etwas wie Enkel im Erbstreit.
Doch da ist nicht nur die Frage nach Gott. Sondern auch nach der Gewalt. Islamistische Terrorangriffe haben eine verheerende Blut- und Angstspur durch die westliche Welt gezogen. Und den Islam in vielen Köpfen mit Gewalt verbunden. Doch wie gewaltbereit ist diese Religion wirklich? Von den rund 1,8 Milliarden Muslimen auf der Welt hänge nur ein Bruchteil den radikalisierten Richtungen des Salafismus und Dschihadismus an, erklärt Harald Lamprecht. »Diese meinen, ihre sehr engen Vorstellungen von der wahren Religion mit Gewalt durchsetzen zu dürfen.« Meistenteils richte sich diese Gewalt gegen andere Muslime, aber auch gegen »den Westen«. Doch daraus könne nicht gefolgert werden, dass »der Islam« eine Bedrohung darstelle. Laut dem aktuellen Verfassungsschutzbericht gehören lediglich 0,6 Prozent der hier lebenden Muslime zum islamistischen Spektrum. Auch gelte es wahrzunehmen, dass islamische Gelehrte mit übergroßer Mehrheit die Gewaltexzesse ablehnen – mit dezidiert religiöser Begründung aus dem Koran.
Doch wie sind die Koranworte zu deuten, die Gewalt rechtfertigen? Der Wiener Theologe Paul M. Zulehner setzt seine Hoffnungen auf eine fachlich gut entwickelte Koranexegese, die historische Zusammenhänge aufzeigt und die einzelnen Worte im Ganzen der Botschaft begreift. Er betont: »Es muss den Menschen durch religiöse Aufklärung klar werden, dass das Wesen der großen Religionen Erbarmen und Gerechtigkeit ist, nicht Gewalt und Rache.« Kriterium einer wahren Religion sei, dass Leben auf- und nicht umkomme. Im Spiegel des Islam könnte erkannt werden, wie zwiespältig auch die eigene religiöse Tradition ist. Und wie sehr jede Religion um ihre lebensdienliche Form ringen muss. Alle Weltreligionen seien laut Zulehner dazu aufgefordert, ihre eigene Ambivalenz zu erkennen und die eigene Anfälligkeit für Gewalt, Intoleranz und fehlenden Respekt vor dem Glauben anderer zu überwinden.
Eine Medizin für den Abbau von Ängsten ist die interreligiöse Bildung und die Begegnung mit Muslimen. Das ist gerade in Ostdeutschland eine Herausforderung. Doch vielleicht könnte die Kirche als ältere abrahamitische Geschwisterreligion diese Bildung und Begegnung fördern.
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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