Eine Friedensglocke für Kamenz
Zur 800-Jahr-Feier machen sich die Christen der Lessingstadt drei ganz besondere GeschenkeDas wird ein Fest! Da sind sich Pfarrer Joachim Krönert und Kantor Michael Pöche sicher. Denn wenn die Kamenzer Christen am 18. Mai die erste ihrer beiden neu gegossenen Glocken weihen, wird das nicht etwa versteckt auf dem Hof der Hauptkirche St. Marien geschehen, sondern deutlich sichtbar auf dem Markt. Glockenweihe als Stadtfest! Die Predigt hält Landesbischof Tobias Bilz.
Der Termin Sonntag 18. Mai ist kein Zufall. Am 19. Mai 1225, also genau vor 800 Jahren, wurde Kamenz erstmals erwähnt. „Und zwar anlässlich einer Kirchenweihe“, wie Krönert und Kirchenmusikdirektor Pöche betonen. 800 Jahre Stadtjubiläum, die aus diesem Grund auch im 12 Kilometer entfernten Pulsnitz oder im benachbarten Bischheim-Gersdorf begangen werden. In Bischheim vom 10. bis zum 16. Juni, in Pulsnitz vom 19. bis 25. Mai.
Kamenz nun feiert das ganze Jahr, das Festwochenende zur Glockenweihe bildet den Auftakt. Denn sowohl die Friedensglocke als auch die im September folgende Jesusglocke sind quasi Rückkehrer. „In den beiden Weltkriegen mussten Glocken abgegeben werden, um Waffen herstellen zu können. 1956 wurde das Geläut ersatzweise durch zwei Eisenhartgussglocken ergänzt. So besteht unser Glockengeläut aus drei Bronzeglocken und den beiden Eisenhartgussglocken“, erklärt Pöche. Weil aber Eisenguss nicht so haltbar ist wie Bronze, muss dringend Ersatz her. Dafür wurde jahrelang gesammelt. Nicht nur für die Glocken, sondern auch für die damit einhergehende Restaurierung und Sanierung der Fachwerkkonstruktion unterhalb der Glockenstube im trutzigen Turm von St. Marien. Auch einen neuen hölzernen Glockenstuhl braucht es, die alten Glocken müssen runter. Die älteste noch erhaltene Originalglocke von 1576 soll instandgesetzt werden.
All das will bis Ende 2025 geschafft sein. In dieser Woche erfolgt die Vergabe der Gerüstbauarbeiten. Das Geld kommt aus besagten Spenden und aus Mitteln der ehemaligen Parteien- und Massenorganisationen der DDR, was vor allem dank des großen Engagements des langjährigen CDU-Landtagsabgeordneten der Region, Aloysius Mikwauschk, möglich wurde, wie Krönert und Pöche betonen. Das erste Ergebnis ist mit der Friedensglocke bereits greifbar: Sie wurde im September 2024 im badischen Neunkirchen in der altehrwürdigen Glockengießerei Bachert gegossen, einer Firma mit Erfahrung im Fach seit 1725. Inzwischen wartet das gute Stück glanzpoliert und mit passendem Spruch ("Selig sind, die Frieden stiften") verhüllt in der Klosterkirche und Sakralmuseum St. Annen Kamenz auf ihre Bestimmung.
Die Vorbereitungen für die große Weihe am 18. Mai laufen seit Monaten. Pöche zum Beispiel schuf die Komposition „Kamenzer Glockensprüche“ für Bläser, Chor, Friedensglocke, Röhrenglocken und Pauken! „Im Mittelpunkt steht dabei das künftige Geläut von St. Marien aus Lessingglocke von 1729, Christusglocke von 2025, Friedensglocke von 2024, Gloriaglocke von 1979 und Hillgerglocke von 1576“, so der Kantor. Textliche Grundlagen bilden Bibelsprüche, der Luther-Choral „Verleih uns Frieden gnädiglich“ mit zwei aktuellen Strophen des Hoyerswerdaer Kantors Johannes Leue. Rund 40 Blechbläser werden den Markt in Schall tauchen.
Tragend aber sollen beim Fest zur Glockenweihe die Stimmen der Menschen sein – die der geübten Choristen, der Gemeinde und aller anderen Gäste, die in großer Zahl erwartet werden.
Dafür probt Kantor Pöche seit Wochen intensiv. Es gilt, die Chöre der eigenen Kantorei, der katholischen Kamenzer Geschwister „Amici musicae“, aber auch den Bautzner Posaunenchor und die Bläserkreise Bautzen und Dresden zusammenzuführen. Hier darf er sich im Vorfeld auf die professionelle Unterstützung von Landesposaunenwart Tilmann Peter verlassen.
Für Kamenz ist das zentrale Fest zugleich eine Art endgültige Normalisierung aus der langen Strecke einer irgendwie polarisierten Stadtgesellschaft heraus: Auf der einen Seite die jahrhundertealte christliche Tradition. Auf der anderen Seite eine starke Militärpräsenz in Form eines Luftwaffenstandorts seit den 1930ern über Sowjetkräfte hin zu Luftstreitkräfte/Luftverteidigung der NVA samt Offiziershochschule zu DDR-Zeiten, die noch bis lange Zeit nach der Wende wirkte und heute durch Traditionsvereine Überbleibsel hat. Diese Gegensätzlichkeit, als deren überlegener Teil sich die alte SED-geprägte-Fraktion nicht zuletzt unter Berufung auf mutige Kommunisten rund um die Befreiung der Stadt 1945 fühlte, wuchs sich spätestens in der vergangenen Dekade aus. Durch natürliche Generationswechsel, aber auch durch ein neues Miteinander.
Umso mehr freut sich auch Oberbürgermeister Roland Dantz: „Eine Glockenweihe, wie sie am Sonntag vorgenommen wird, steht nicht zwangsläufig in einem Zusammenhang mit einem so großen Stadtjubiläum. Es waren mehrere Momente, die dazu führten. Einmal haben wir vor geraumer Zeit die Bürger aufgerufen, Projekte und Ideen einzureichen, um unser Festjahr gemeinsam zu gestalten.“ Damals wurde auch der Vorschlag der evangelisch-lutherischen Kirchgemeinde eingereicht, eine Stahlglocke in der Hauptkirche St. Marien durch eine Bronzeglocke zu ersetzen, so Dantz: „Elfie Jatzke, Mitglied des Kirchenvorstandes, kam dann eines Tages zu mir und schilderte mir den Hintergrund für diese Überlegung. Der Gedanke einer Friedensglocke für Kamenz war geboren. Wir beide spürten, dass es uns eine Herzensangelegenheit ist, gerade in einer Zeit ausgebrochener Kriege und Konflikte und auch, um ein Zeichen der Versöhnung und des Friedens zu setzen. Und dass uns dies heute gelingt, dass wir uns am 18. Mai hier auf unserem Marktplatz versammeln können, um Zeuge der Glockenweihe der Friedensglocke für Kamenz zu werden, ist ein ganz besonderer Höhepunkt im Festgeschehen, ja für unsere Stadt insgesamt.
Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass es gerade auch die Bereitschaft des Stadtrates der Stadt Kamenz war, das Glocken-Projekt zu unterstützen, indem er sehr frühzeitig mit einem Beschluss, bis zu 50 000 EUR für die Umsetzung dieses wichtigen Vorhabens bereitzustellen, den Initiatoren Mut zusprach. Zugleich war es auch eine Art Initialzündung für andere Spender und Unterstützer, sich daran zu beteiligen. Wir haben gemeinsam gesät und uns bemüht, den Acker der Unterstützung fruchtbar zu machen, um am kommenden Sonntag in Kamenz – im besten Sinne des Wortes – auch ein gemeinsames ,Erntedankfest‘ zu feiern.“ Übrigens in Form eines ökumenischen Gottesdienstes. Die Weihe von Glocke Nummer zwei ist zum 21. September angesetzt. Ein Termin, der das Fest zu „100 Jahre Posaunenchor Kamenz“ vereint, begleitet vom Bezirksposaunenfest.
18. Mai, 10 Uhr: Festgottesdienst, Marktplatz Kamenz.
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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