Christen gegen Freihandel
Das geplante Freihandelsabkommen TTIP zwischen Europa und den USA wird auch von den Kirchen hart kritisiert. Es geht um globale Gerechtigkeit und Demokratie.
Handelsabkommen bewegen für gewöhnlich keine Herzen. Und dennoch gingen Mitte Oktober in Berlin über 150 000 Menschen auf die Straße gegen das geplante »Abkommen über die transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft«, kurz: TTIP. Ein Vielfaches der Pegida-Proteste.
Dabei gibt es zwischen beiden Demonstrationen durchaus zwei Verbindungen: Auch Pegida-Anhängern ist das Handelsabkommen ein Anlass des Frustes – und mangelnde Gerechtigkeit im Welthandel ist ein Grund für die anschwellenden Fluchtbewegungen.
Die Sache klingt eigentlich gut: USA und EU wollen Zölle abbauen, Standards für Waren aneinander angleichen und damit den Handel fördern. Wirtschaftsforscher sagen bis zu 110 000 neue Arbeitsplätze allein in Deutschland, sinkende Preise und mehr Auswahl beim Einkauf voraus. Das gefühlte Unbehagen aber speist sich aus vielen Quellen.
An erster Stelle steht die strenge Geheimniskrämerei bei den seit 2013 laufenden Verhandlungen. Dazu kommen die bekannt gewordenen Pläne, geheim tagende Schiedsgerichte einzuführen, an denen Konzerne gegen Umwelt- oder Sozialgesetze von Ländern klagen können, wenn sie ihre Gewinne bedroht sehen.
Die EKD-Synode wie auch Diakonie und »Brot für die Welt« sehen all dies »an der Grenze rechtsstaatlicher und demokratischer Grundsätze« und lehnen TTIP deshalb ab.
Auch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) droht neuerdings mit einer Ablehnung von TTIP, wenn der Bundestag nicht beteiligt wird. Und es gibt noch mehr Kritik. Die hohen europäischen Sozial- und Umweltstandards könnten auf amerikanisches Niveau abgesenkt werden, bemängeln Diakonie und »Brot für die Welt«.
»Die aufstrebenden Schwellen- und Entwicklungsländer sollen durch das Abkommen Marktanteile verlieren«, kritisiert Christine Müller von der Arbeitsstelle Eine Welt der sächsischen Landeskirche. »Der Konkurrenzdruck erhöht sich aber auch für kleine und mittelständische Betriebe bei uns. Denn Konzerne könnten dann etwa gegen Kommunen klagen, wenn diese ihre Aufträge an Kleinunternehmen in ihrem Umfeld vergeben.«
Das grundsätzliche Nein von »Brot für die Welt« zu TTIP war in der Konferenz für Diakonie und Entwicklung nicht unumstritten, sagt Christine Müller, die Sachsen in diesem Führungsgremium der evangelischen Hilfswerke vertritt. Auch die Leitung der Evangelischen Kirche in Berlin, Brandenburg und der schlesischen Oberlausitz sieht Gefahren bei dem Handelsabkommen – aber ebenso Chancen. Sie lägen in einem verstärkten Handel »und in der Möglichkeit, beispielgebend Normen für den globalen Markt zu setzen, die nicht nur technischer Art sind, sondern auch soziale und ökologische Kriterien einbeziehen«.
Während EKD und Diakonie auf möglichst hohe Standards pochen, gibt die Berliner Kirche mit Blick auf Entwicklungsländer zu bedenken, »dass bei einer Festlegung zu hoher Standards schwächere Partner vom Weltmarkt verdrängt werden.«
Diakonie, »Brot für die Welt« und auch die Arbeitsstelle Eine Welt der sächsischen Landeskirche fordern statt TTIP ein Handelsabkommen mit der gesamten Staatengemeinschaft, damit dessen Vorteile auch den Ärmeren zugutekommen. In Planung ist das schon längst: Seit 2001 verhandelt die so genannte Doha-Runde der Welthandelsorganisation mit dem Ziel, die Märkte weiter zu öffnen und Entwicklungsländer besser in den Welthandel einzubeziehen. Doch blockiert werden die Verhandlungen an einem Streit zwischen den USA und Schwellenländern wie Indien und China. Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm mahnte indes: »Handelspolitik ist die Flüchtlingspolitik der Zukunft.«
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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