Wolfgang Thierse: Frommer Spruch reicht nicht mehr
Bundestagspräsident a. D. fordert auf Leipziger Kanzel die öffentliche Einmischung von Christen
Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse hat am Sonntag in Leipzig dazu aufgefordert, dass sich Christen stärker öffentlich einmischen. Bei seiner politischen Kanzelrede in der Michaeliskirche sagte der 70-jährige SPD-Politiker, Christen müssten mit ihrer Meinung und Überzeugung aus dem Privaten heraustreten und in der Gesellschaft mitwirken: "Christen sind aufgefordert sich einzumischen, wie Paulus auf dem Areopag", sagte Wolfgang Thierse mit Bezug auf die Apostelgeschichte Kapitel 17.
Allerdings sei es "die große Herausforderung, die vertraute innerkirchliche Sprache zu übersetzen", damit aus religiösen Überzeugungen auch mehrheitsfähige Argumente würden. "Ein frommer Spruch reicht nicht mehr." In Zeiten einer vielfältiger werdenden Gesellschaft mit 30 Prozent Konfessionslosen komme es auf eine verständliche, moderne Sprache an. Dazu sollten Christen auch "Experimente zulassen, Poeten zuhören und das Gespräch mit der modernen Wissenschaft suchen", so Thierse.
Themen gäbe es für Christen genug, meinte der Katholik und nannte die Sicherung des Friedens, den Schutz von Flüchtlingen und Minderheiten, die Verteidigung des Sozialstaats, die Menschenwürde und immer wieder auch medizinethische Fragen wie aktuell das Thema Sterbehilfe. "Manchmal geht es sehr flott dabei zu", sagte der Politiker.
Gegenüber dem Sonntag sagte Wolfgang Thierse aber auch: "Wenn ich von der evangelischen Kirche 20 Meinungen zu einem Thema habe, ist es schwierig, sich darauf einzustellen." Als Katholik wünsche er sich von dieser Seite mehr Übereinstimmung, sonst drohe die Meinungsäußerung bedeutungslos zu werden.
Kanzelrede von Wolfgang Thierse am 19. Oktober 2014 (PDF)
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna