Mit Muslimen beten?
Christen helfen muslimischen Asylbewerbern und feiern mit ihnen mitunter islamische Feste. Was eint, was trennt? Da warten große theologische Fragen.
Das Ende des Ramadan feierten Asylbewerber im vergangenen Juli in der Dresdner Hoffnungskirche. Das unter dem Dach der Kirchgemeinde arbeitende Netzwerk »Willkommen in Löbtau« hatte zum Schluss des islamischen Fastenmonats zu einem Sommerfest mit vegetarischem Buffet und Lagerfeuer in Kirchengarten und -saal eingeladen.
Im Kirchenvorstand habe es da keine Diskussion gegeben, sagt dessen Vorsitzender Thomas Pawlik. »Dass die geflüchteten Menschen eine andere Religion haben, spielt bei uns keine Rolle – sondern es sind Menschen, denen geholfen werden soll.« Als die lutherische Gemeinde im Dezember eine Adventsfeier mit den Asylsuchenden feiern wollte, habe man kurz überlegt, ob man aus Respekt vor den Muslimen in der Hoffnungskirche das Kreuz abdecken soll, erinnert sich Kirchvorsteher Thomas Pawlik. »Aber wir haben es gelassen. Denn wir sind eine christliche Kirche und stehen dazu.« Danach sagte Samir Alasfar aus Libyen den Löbtauer Christen: »Ich bin Muslim, aber was zählt ist doch, dass wir alle Menschen sind. Ich respektiere Christen, uns trennt nicht viel.«
Doch mit den tausenden geflüchteten Muslimen kommen auch immer mehr Fragen auf Christen in Sachsen zu: Soll man mit muslimischen Kindern in evangelischen Kitas beten? Kann die Diakonie muslimische Bewerber einstellen? Dürfen Muslime ihr Opferfest in kirchlichen Räumen feiern? »Es gibt in den Kirchgemeinden eine Unsicherheit im Umgang mit dem Islam, denn der ist unbekannt und fremd«, stellt der Ausländerbeauftragte der Landeskirche, Albrecht Engelmann, fest. In Westdeutschland und der EKD konnte man schon etliche Jahre Erfahrungen mit Muslimen sammeln – und ist entsprechend besser vorbereitet.
»Alle Kräfte fließen derzeit in die praktische Arbeit mit Flüchtlingen – aber auch sie braucht ein theologisches Fundament, denn da geht es um handfeste theologische Debatten«, sagt Oberlandeskirchenrat Peter Meis. Es geht um nichts Geringeres als den Wahrheitsanspruch, der jeder Religion innewohnt. Christen glauben an das Wort Jesu: »Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich« – Muslime sehen das ganz anders.
»Ich glaube nicht, dass wir in einer Draufsicht auf die Religionen blicken können nach dem trivialen Motto: Wir glauben alle an den gleichen Gott«, meint Peter Meis, der für theologische Grundsatzfragen der Landeskirche zuständig ist. »In der Begegnung verschiedener Religionen geht es um die Begegnung verschiedener Innenperspektiven, die ihre je eigene Wahrheit haben.« Um dieser Wahrheit willen kann sich Peter Meis ein gemeinsames Gebet zwischen Christen und Muslimen nur so vorstellen: im aufeinander hören, nacheinander sprechen – »und ohne das Gebet des anderen mitbeten zu müssen und vereinnahmt zu werden«.
Was all dies auch ganz praktisch bedeutet für die Landeskirche, das soll eine Handreichung durchdeklinieren. Der Theologische Ausschuss der Landessynode arbeitet – nachdem er im Herbst das Thema noch vertagt hatte – daran. Die Kirchenleitung widmet dem Interreligiösen Dialog Ende Februar ihre Klausurtagung.
»Nach meiner Erfahrung hilft die Begegnung mit anderen Religionen dabei, auch den eigenen Glauben besser kennen zu lernen«, sagt der landeskirchliche Beauftragte für Weltanschauungsfragen, Harald Lamprecht. Mit Vorträgen über den Islam ist er derzeit in Kirchgemeinden ein gefragter Mann. »Wenn wir gezwungen sind, den Muslimen die Trinität zu erklären, haben wir sie hinterher auch besser verstanden.« Und von noch etwas ist Harald Lamprecht überzeugt: Dass jede Tat der Nächstenliebe schon für sich ein Glaubenszeugnis gibt.
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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