Gerechter Erntedank
Fair handeln: Unser Wohlstand und die Fluchtgründe vieler Menschen sind zwei Seiten einer Medaille. Warum Dankbarkeit und Gerechtigkeit zusammengehören – und was Christen tun können.
Es gibt viel zu danken in einem reichen Land wie Sachsen. Das Erntedankfest ist eine gute Gelegenheit. Wohlstand aber hat auch einen Preis. Gezahlt wird er von Menschen in fernen Ländern. Immer mehr von ihnen wollen nach Europa kommen. Viel ist von der Bekämpfung der Fluchtursachen die Rede – aber was geschieht tatsächlich außer Abschottung?
»Es hängt in einer globalisierten Welt vieles so eng zusammen, dass unser Einkaufsverhalten auch als Kirche Auswirkungen hat auf ganz andere Regionen«, sagt Doris Kriegel von der Arbeitsstelle Eine Welt der sächsischen Landeskirche. »Wir haben eine Verantwortung, wir machen uns mitschuldig.« Mitschuldig an der Ausbeutung von Menschen für billige Produkte, an der Ausbeutung von Rohstoffen, an der Ausbeutung des Klimas.
»Es gibt Fluchtursachen, die mit unserem Einkaufsverhalten auch in Kirchgemeinden etwas zu tun haben« meint auch Andreas Dohrn, Pfarrer an der Leipziger St. Petri-Kirchgemeinde. Deshalb hat deren Kirchenvorstand zusammen mit der benachbarten Bethlehemgemeinde vor zwei Jahren einen Beschluss gefasst, der weit mehr sein soll als hin und wieder ausgeschenkter fair gehandelter Kaffee: Sämtliche Einkäufe der Gemeinden sollen sich an sozialen und ökologischen Kriterien orientieren. Ob Papier, Holz, Pfla-stersteine, Reinigungsmittel oder Kleidung – eine verbindliche Liste zeigt die Alternativen. Als bundesweit erste Kirchgemeinde bekam sie dafür das Siegel »Zukunft einkaufen«.
Nun gehen die beiden Kirchgemeinden noch einen Schritt weiter. Zusammen mit der evangelischen Studentengemeinde und der katholischen Propstei-Gemeinde werden sie am 23. Oktober bei einem ökumenischen Nachhaltigkeitsfest eine Internet-Einkaufsplattform aus der Taufe heben. Unter dem Namen »Einkaufsnetz Leipzig« soll sie Kirchgemeinden eine soziale und umweltbewusste Beschaffung ermöglichen. Es könnte ein Modell werden für andere Kirchenbezirke. »Wenn auch kirchliche Kindergärten und Schulen, diakonische Pflegeheime und Krankenhäuser mitmachen, kommen richtig interessante Größen zusammen«, hofft Pfarrer Andreas Dohrn. »Das hat viel Potential.«
Die Wirklichkeit ist freilich ernüchternder. Zwar schenkt das Landeskirchenamt nur noch fair gehandelten Kaffee und Tee aus und die Landessynode hat sich erst im Frühjahr einen ganzen Tag mit globaler Gerechtigkeit beschäftigt. »Aber es sind nur sehr wenige Kirchgemeinden, die tatsächlich konkrete Schritte gehen«, sagt Doris Kriegel, die in einer bis Mai 2017 befri-steten Projektstelle Gemeinden auf diesem Weg berät. »In der Landeskirche nehme ich nur wenig Unterstützung für das Thema wahr.« In der Diakonie sei das nicht anders. Einen in Dresden geplanten ökumenischen Praxistag zum sozial-ökologischen Einkaufen musste sie in der vergangenen Woche absagen – mangels Interessenten.
Ein Gegenargument hört Doris Kriegel immer wieder: Ein fairer Einkauf sei kein Kernthema für Kirchgemeinden – ganz anders etwa als Mission und Gemeindeaufbau. »Es ist für mich ein hoch theologisches Thema«, erwidert die Leipziger Theologin. »Ich kann nicht vom barmherzigen Samariter predigen und damit nur meinen direkten Nachbarn im Blick haben. Nicht in der heutigen Welt.«
Diese theologischen Fragen und die praktischen Fragen des Einkaufs sind für Pfarrer Andreas Dohrn letztlich dieselben. »Wenn man sich die Gerechtigkeitsbegriffe im Alten und im Neuen Testament anschaut, sieht man: Gottes Gerechtigkeit und die menschliche Gerechtigkeit sind miteinander verwoben. Dafür aber ist erstaunlich wenig Schwung bei diesem Thema in der Landeskirche. Was ist da los?«
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna