Kirche der offenen Wünsche
Zukunft: Die Kirche setzt auf Ehrenamtliche – doch viele von ihnen sind schon heute an einer Grenze. Eine Kirche der Ehrenamtlichen wird anders aussehen. Und verzichten lernen.
Die Zukunft der Kirche ist in der Gemeinde Grünberg-Heyersdorf schon angebrochen. Volker Albers, tagsüber Meister für Hörgeräte und danach Vorsitzender des Kirchenvorstands, hält die kleine Gemeinde mit einer Handvoll Ehrenamtlichen am Laufen. Ob es um den Kirchenwald geht, um die ungewisse Zukunft des Friedhofs oder ein Prediger fehlt – Albers fühlt sich verantwortlich. Und macht es oft genug selbst.
Fast zwei Jahre schon ist die Pfarrstelle in dem Schwesternkirchenverbund um Crimmitschau verwaist. Und das Landeskirchenamt schreibt sie trotz gültigem Stellenplan – die nahe Strukturreform vor Augen – nicht neu aus. »Es ist ja gut, wenn Gemeinden begreifen, dass Kirche von unten kommen muss«, sagt Volker Albers. »Doch wir können keine Rundum-Versorgung und Impulse zum Gemeindeaufbau leisten. Wir haben das Gefühl, die Kirche ist in unserer Region dabei, sich selbst abzuschaffen.«
Auch die Verwaltungsmitarbeiterin der Crimmitschauer Luthergemeinde, die als Schwestergemeinde von Grünberg-Heyersdorf dasselbe Schicksal teilt, kommt zu dieser Einsicht. »Die meist berufstätigen Ehrenamtlichen sind am Ende ihrer Kräfte«, sagt Sabine Freund, die ehrenamtlich das Gemeindeleben für drei Gemeinden organisiert. »Wenn die Kirche Pfarrstellen ausdünnt und erwartet, dass Ehrenamtliche die Arbeit übernehmen, funktioniert das nicht.«
Für eine Illusion hält das auch der Leiter der Ehrenamtsakademie der Landeskirche, Joachim Wilzki. »Die Gefahr ist, dass Ehrenamtliche damit überfordert werden. Es kommt darauf an realistisch zu sehen, was zu schaffen ist.« Eine Herausforderung für die Kirchenleitung – aber auch für die engagierten Gemeindeglieder vor Ort. Wie schwer das ist, hat Joachim Wilzki in seiner Dorfgemeinde im Großenhainer Land selbst erlebt. »Wir haben vier Vorhaben im Jahr ausgewählt, die wir mit Freude schaffen. Und damit gibt es zugleich ganz viel Wünschenswertes, das wir nicht leisten können.«
Schon jetzt ist jeder Zehnte der rund 720 000 Mitglieder der sächsischen Landeskirche in seiner Gemeinde im Ehrenamt aktiv. Diese Zahl wird nicht ständig wachsen. Hinzu kommt: Menschen engagieren sich heute oft lieber in zeitlich begrenzten Projekten wie einem Kinder-Musical mit einem klaren Ergebnis und Gewinn auch für sich selbst.
»Gemeinden und Hauptamtliche müssen das aufgreifen und Ehrenamtliche ermutigen, ihre Stärken einzubringen«, sagt Wilzki. »Das ist eine andere Perspektive, als für eine feste kirchliche Aufgabe Nachfolger zu suchen.« Je nach Gaben und Interessen der Menschen vor Ort werden Gemeinden ganz verschiedene Gesichter bekommen. Oder an Leben verlieren. Die Landeskirche setzt auf das Ehrenamt. Nicht nur im Zunkunftspapier »Kirche mit Hoffnung«, mit ihrer vor zehn Jahren gegründeten Ehrenamtsakademie, mit Bildungsangeboten sowie Arbeitshilfen für Engagierte. Auch die Zahl der heute 250 Prädikanten und über 300 Lektoren ist stark gewachsen.
»Wir müssen die Kirchgemeinden ermutigen neu zu entdecken, dass sie vollwertige Gottesdienste feiern können, auch wenn in einem Ort kein Pfarrer zur Verfügung steht«, sagt Heiko Franke, Pfarrer an der Ehrenamtsakademie. »Wir müssen von dem Gedanken wegkommen, dass Pfarrer das Monopol für Gottesdienste haben und Ehrenamtliche nur Nothelfer sind. Sie sollten sich als Dienstgemeinschaft sehen, in der Hauptamtliche die Ehrenamtlichen fördern und weiterbilden.«
Die Glocken läuten, Kerzen in der Kirche anzünden, das Evangelium lesen und beten – auch das, sagt Heiko Franke, kann Gottesdienst sein. Wenn auch ganz anders als gewohnt.
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