So kann Frieden werden
Jahreslosung 2019: Nichts wünschen sich Menschen sehnlicher als Frieden. Und nichts ist mehr gefährdet. Die Bibel erinnert an ein Geheimnis des Friedens – es liegt in jedem selbst.Schnäppchenjäger werden sie genannt. Menschen, die mit Willen, Instinkt und Ausdauer auf der Jagd nach günstigen Angeboten sind. Auch wenn ich mich nicht dazu zähle, diese Form von Jagd ist mir bekannt. Mit der Wildschwein- oder Rotwildjagd sieht es da schon anders aus. Das kommt in meinem Alltag nicht direkt vor. Ob Schnäppchen oder Hirsch: Ein Jäger hält Ausschau, liegt auf der Lauer, wartet geduldig und handelt entsprechend, wenn er meint, erfolgreich sein zu können. Seine ganze Aufmerksamkeit richtet sich auf das Ziel. Jagen ist Konzentration und Wille. Möglicherweise können Jäger die Jahreslosung besonders gut verstehen. Nun fordert Gott uns auf: »Suche Frieden und jage ihm nach!« (Psalm 34,15). Wir sollen Frieden suchen, ihm nachjagen, um ihn irgendwie zu erwischen. Wir sollen auf die Gelegenheit warten, ihn abpassen und zugreifen, wenn er in erreichbarer Nähe ist. Für mich heißt das: Mich mit Willen und Ausdauer auf den Frieden konzentrieren, mich nicht ablenken lassen, das Ziel im Blick behalten. Darum geht es, den Frieden zu suchen, ihn festzuhalten, ihn in Besitz zu nehmen.
»Si vis pacem, para bellum«, so hat man gesagt und gedacht. »Wenn du Frieden willst, dann bereite den Krieg vor«. Aber der wirkliche Frieden ist nicht der durch Waffen gezähmte und eingesperrte Krieg. Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg. Frieden nach biblischem Verständnis ist echte und ungetrübte Beziehung. Gott will diesen Frieden und hat ihn geschaffen zwischen uns Menschen und ihm. »Jesus ist unser Friede« (Epheser 2,14), das gilt aber auch für die Beziehung zwischen uns Menschen. Frieden ist Versöhnung und Leben sollte gelebte Versöhnung sein. Hier sind wir mittendrin in dem, was uns eben so schwer ist. Wir sehen theoretisch ein, was Frieden ist oder sein sollte, aber die Realität unseres eigenen Lebens, nicht nur die der Welt, zeigt unsere Begrenztheit im Hinblick auf wirklich gelebten Frieden. Wir leben in einer Spannung: Wir sollen den Frieden suchen und ihm nachjagen, das ist etwas Aktives. Andererseits beten und singen wir: Verleih uns Frieden! Das ist rein passiv. Auf der einen Seite das Tun und der Einsatz für den Frieden, auf der anderen Seite die Hände und Herzen öffnen und sich den Frieden schenken lassen. Vielleicht ist beides dran. Glauben und tun, denken und handeln, beten und arbeiten. Wir sind eben Leib und Seele. Von daher erschließt sich auch der in der lutherischen Theologie immer wieder vertretene Gedanke von den beiden Reichen oder Regimentern für uns ganz neu. Handeln in der Welt und Leben im Glauben sind verschiedene Bereiche, gehören aber doch zusammen, sie sind aufeinander bezogen.
Friede kann entstehen durch die Möglichkeit, dass es ihn gibt. Dieser Friede ist gegeben und er kann und muss von uns ergriffen werden. Wie das Wild bei der richtigen Jagd. Und ich kann etwas tun, denn der Friede beginnt in mir. Viel bedeutender als die Frage, welcher Politiker oder welche Partei gerade an der Macht ist, ist die Frage inwieweit der Einzelne bereit ist, dem Frieden nachzujagen und auch dafür zu leiden. Nicht das bessere System garantiert den Frieden, sondern ein verändertes Leben, eine veränderte Haltung. Vaclav Havel, der tschechische Bürgerrechtler und ehemalige Präsident seines Landes, hat so eine Haltung einmal eine »antipolitische Politik« genannt. Sein Essay »Versuch, in der Wahrheit zu leben« beschreibt das. Der Einzelne, der das zu seinem persönlichen Programm macht, in der Wahrheit zu leben, kann viel erreichen. Frieden wird es ohne friedliche Menschen nicht geben, der Friede beginnt in mir. Letztlich geht es um Handlungsoptionen und Glaubensvollzüge. Das Gebet und der Glaube, die Bereitschaft wie auch der Wille zu Versöhnung und Friedfertigkeit, korrespondieren miteinander.
Ohne dass ich mir den Frieden schenken lasse, offen bin für ihn, ihm von Gott her Raum gebe, werde ich ihn nie erlangen. Ich muss mich in den Wald begeben, im Dickicht der Realität und des menschlichen Wollens mit Gottes Hilfe nach dem Frieden suchen.
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
Zum Vergrößern hier klicken.
Weitere Impressionen finden Sie hier.