Es ist jetzt fast 30 Jahre her. Da setzte sich mein Onkel Horst ins Auto, neben sich die Tante, und fuhr los. Gerade war die Mauer gefallen, und endlich bestand die Möglichkeit, den Westen mit eigenen Augen zu sehen und die Verwandtschaft im Ruhrgebiet zu besuchen. Was für ein Wiedersehen. Nicht nur die Familie feierte, auch Nachbarn, Freunde, zufällig Vorbeikommende. Alle waren froh, glücklich, stolz.
Ja, so fühlten wir damals: Jetzt kommt zusammen, was zusammengehört. Sehr lange hat dieses Gefühl nicht gehalten. Die Ernüchterung kam bald. 30 Jahre Wende – das ist auch eine Geschichte der Enttäuschungen. Auf beiden Seiten. Auf der einen Seite jene, die sich als »Ossis« abgestempelt sehen. Quasi als Beutegut eines verlorenen Systemkampfes zwischen Ost und West. Auf der anderen Seite wir, die »Besser-Wessis«. Noch heute – seien wir ehrlich – kommen uns Begriffe wie »Undankbarkeit« und »Anspruchsdenken« in den Kopf, wenn wir an die Menschen im Osten denken. Milliarden wurden in den Aufbau Ost gepumpt. Auch wenn das nicht überall blühende Landschaften ergab, so doch immerhin Freiheit und Demokratie. Und nun erleben wir, wie Freiheit und Demokratie in eine Richtung abdriften, die einem Angst und Bange macht. Nicht nur im Osten. Aber da besonders. Der Erfolg der AfD hat viele Gründe. Einer ist, dass diese Partei auch ein Sammelbecken für die Unzufriedenen und Verunsicherten darstellt.
Es zeigt sich: die Aufgaben, die sich durch die Wiedervereinigung ergeben haben, sind noch gewaltig. Eine der Herausforderungen wird sein, sich nicht durch Enttäuschungen leiten zu lassen. Sondern durch etwas, das vielleicht Gottvertrauen erfordert, aber auch zur gemeinsamen Geschichte zählt. An deren Anfang stand: Wunder sind möglich.
Gerd-Matthias-Hoeffchen ist Chefredakteur der Kirchenzeitung »Unsere Kirche«, Bielefeld.
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