Vertrauen wagen
Neu anfangen: Der Schulanfang geschieht in diesem Jahr unter besonderen Bedingungen. Die Zukunft ist ungewisser als in den Vorjahren. Doch als Christen dürfen wir Gott mit uns wissen.Wie oft haben Sie sich in den letzten Wochen gewünscht, das Jahr 2020 möge nochmal ganz neu beginnen? Wir müssten keine Konfirmationen, Chorkonzerte und Gemeindefeste verschieben und auf den Familiengottesdienst zu Ostersonntag verzichten. Oder gar den Tod von Menschen betrauern, die an den Folgen von COVID-19 verstorben sind.
In diesen Tagen fangen viele Kinder und Jugendliche neu an. Sie werden das erste Mal die Schule besuchen oder in eine neue wechseln, oder beginnen eine Lehre oder ein Studium. Wir Erwachsenen sorgen uns, wie der Neuanfang unter den gerade herrschenden Bedingungen gelingen kann. Werden sich die Kinder und Jugendlichen persönlich kennenlernen können oder müssen nach wenigen Wochen wieder Einrichtungen geschlossen werden und die digitalen Lernplattformen bilden die einzige Verbindung zur Außenwelt?
Trotz dieser Fragen erlebe ich unter den Schulanfängern eine große Zuversicht und Freude wie in jedem Jahr: Endlich gehöre ich zu den Großen, bekomme eine Zuckertüte und lerne neue Kinder kennen, mit denen ich spielen kann. Daraus spricht eine große Zuversicht, die mich berührt.
Ich selbst darf in diesem besonderen Jahr auch neu anfangen, als Präsidentin der 28. Landessynode unserer Landeskirche. Mit tiefer Dankbarkeit habe ich den Moment in Erinnerung, als ich den geschnitzten Staffelstab vom vorherigen Präsidenten Otto Guse entgegennehmen durfte.
Immer wieder haben mir Menschen vertraut, etwas zugetraut und ich bin das Wagnis eingegangen, weil ich mich von Gott getragen weiß. Gottes Güte und Zuspruch ermöglichen mein Leben, unser aller Leben. Die kindliche Freude auf den neuen Lebensabschnitt der Schule steht beispielhaft dafür.
Aber wie wachsen Zuversicht und Vertrauen? Im Zuge von coronabedingten Aufräumarbeiten fand ich zu Hause ein Vlies mit dem Motto des Kirchentages aus dem Jahr 1983 in Dresden, auf dem das Motto gedruckt ist: »Vertrauen wagen, damit wir leben können!« Als ganz junges Schulkind nahm ich daran teil und erlebte dort die stärkende Gemeinschaft. Menschen, die sich von der frohen Botschaft des Evangeliums anstecken ließen, erzählten von dessen Kraft und ihrem Alltag als Christen in der DDR, der für viele sehr verschiedene Herausforderungen bereithielt.
Auch heute ist dieses Kirchentagsmotto aktuell. Wir stehen vor alten und neuen Fragen, die wir als Christen beantworten müssen. Gott sei Dank werden unsere Kinder ihre Berufe frei wählen können, sich nicht rechtfertigen müssen, wenn sie statt Pionierchor die Christenlehre besuchen. Aber wie damals stellen sich drängende Fragen nach dem Umgang mit unserer Schöpfung. Die Wälder sterben wieder wie in den achtziger Jahren. Diesmal nicht durch sauren Regen, sondern durch langanhaltende Trockenheit. Offensiv debattieren Kinder und Jugendliche über die Folgen des Klimawandels, fordern eine Änderung der Lebensweise und entwerfen Zukunftsvisionen.
Ja, die Zukunft ist ungewiss und dennoch gibt es für mich keinen Grund zu verzagen. Als Historikerin übersehe ich einen langen Zeitraum, in dem Menschen immer wieder neu angefangen haben. Ich habe einige davon interviewt, die auf Grund politischer Verfolgung unter schwierigen Bedingungen in der DDR durch die Staatssicherheit inhaftiert waren. Immer wieder habe ich gehört, dass ihnen der Glaube an Gott Zuversicht geschenkt hat, die Zeit zu überstehen, einen Neuanfang zu wagen. Diese bewegenden Begegnungen führe ich mir manchmal vor Augen, wenn ich mich frage, wie es weitergeht. Versuchen wir für die Kinder und Jugendlichen, die in diesen Tagen neu beginnen dürfen, Zeugen der Zuversicht zu sein im Vertrauen auf Gott. Er schenkt uns die Kraft dafür.
Bettina Westfeld ist Synodenpräsidentin.
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