Der Glaube im Osten
Eine Studie der Uni Halle erkundet die Rolle von Religiosität in Familien – und was davon blieb
Das Thema ist klar definiert: „Christliche Religiosität in Ostdeutschland“. Unter diesem Titel erkundet die Theologische Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg derzeit, wie religiöse Wertbezüge in Familien entstehen und zwischen Generationen weitergegeben werden. Finanziert wird das Projekt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
Erste Ergebnisse liegen bereits vor. Dazu wurden 15 Mehrgenerationenfamilien in den neuen Bundesländern sowie Ost-Berlin im Rahmen von 65 Einzel- und Gruppeninterviews befragt, mit einem Kniff: „Der Leitfaden für die Einzelinterviews begann mit der Frage, wie unsere Gesprächspartner das letzte Weihnachten verbracht haben, einer Frage, die für religiöse wie nichtreligiöse Menschen leicht anschlussfähig war“, sagt Projektleiter Hagen Findeis. Obwohl „im Osten“ nur noch 16 Prozent der Gesamtbevölkerung konfessionell gebunden sind, gibt es eine gute Nachricht: „Die Familie tritt in unserer Forschung oft als Wert letzter Sinngebung auf, Familie steht über allem“, betont Findeis.
Mehr noch: Traditionelle Feste wie Taufe, Konfirmation, Weihnachten und Ostern bleiben die wichtigsten Transmissionspunkte für die Weitergabe des christlichen Glaubens auch in ostdeutschen Familien. Mehrere Muster in den Mehrgenerationenfamilien wurden beobachtet: Zum einen gibt es Familien, in denen der Glaube fest und dauerhaft weitergegeben wird. Gelebte Religion ist dort stets kirchlich verortet. „In einer solchen Familie gehen alle drei Generationen jeden Sonntag gemeinsam in den Gottesdienst und sie gestalten diesen auch aktiv mit, zum Beispiel im Chor der Gemeinde“, so Findeis.
Zum anderen beschreiben die Forscher ein Muster mit nachlassender christlicher Religiosität. Zwar seien die Großeltern noch die „Agenten des Glaubens“, aber die Enkelgeneration gehe auf Distanz.
Und schließlich trafen die Forscher auf Familien, in denen gerade die Enkel-Generation neue Zugänge zum Glauben findet und damit Eltern und Großeltern in ihrem Denken und Glauben herausfordert. „Das heißt, es ist möglich, dass Religiosität weitergegeben wird, ihre soziale Konkretisierung sich zwischen den Generationen aber deutlich unterscheidet“, sagt Findeis.
Zu weiteren Ergebnissen gehört die Beobachtung, dass die sozialisatorische Bedeutung von Mutter, Vater und Großeltern im Osten unter den Evangelischen höher eingeschätzt wird als unter der ostdeutschen Gesamtbevölkerung. Im Westen sei es eher umgekehrt, hieß es. Zugleich spielten im Osten auch kirchliche Jugendgruppen, Freizeiten und Reisen unter den Evangelischen eine erheblich größere Rolle als in der Gesamtbevölkerung.
Besonders überraschend ist dieses Resultat: Religiös gebundene Menschen sind mobiler und eher bereit, neue soziale und geografische Horizonte zu erschließen, als religiös nicht gebundene Menschen. Von denjenigen Ostdeutschen, die im jungen Erwachsenenalter aus ihrer Region weggezogen sind, glauben mehr Menschen an Gott als jene, die in ihrer Region geblieben sind.
Möglicherweise sind gerade die jungen ostdeutschen Evangelischen die neuen Trendsetter: Man dürfe die Frage stellen, sagt Findeis, „ob in Ostdeutschland die individuellen Aneignungsprozesse christlicher Religiosität vielfältiger, die religiösen Sozialisationspfade diverser und die intergenerationalen Weitergabe-Muster dynamischer sind als in Westdeutschland.“
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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