So geht Frieden
Vier Dresdner Christen zeigen durch ihren konkreten Einsatz, dass eine unfriedliche Welt nicht bleiben muss wie sie istMaria Richter – Zur Vergebung durchdringen
Ich war zwei Jahre in Ruanda und habe die Arbeit der christlichen Versöhnungsorganisation »CARSA« (Christian Action for Reconciliation and Social Assistance) begleitet. Die Menschen in Ruanda haben 1994 einen Völkermord erlebt, bei dem binnen drei Monaten mehr als eine Million Männer und Frauen getötet wurden. Nach diesem Grauen entschloss sich das Land, den Weg der Versöhnung einzuschlagen.
CARSA unterstützt Täter und Opfer dabei, Schritte aufeinanderzu zu machen. Mir ist eine Frau in Erinnerung, die wir bei einem Treffen einer Gruppe von Tätern und deren direkten Opfern kennenlernten. Sie zögerte, den Raum zu betreten und setzte sich nicht zu uns. Zwischen mir und einem Mann war noch ein Platz frei. Es stellte sich heraus, dass er der Mörder ihrer Kinder war. Schließlich kam die Frau ins Erzählen ihrer Geschichte. Sie sagte, dass es noch zu früh für sie sei zu vergeben. Aber sie sah, wie andere Täter und Opfer der Gruppe bereits Heilung und Versöhnung erlebt hatten, und das machte ihr Hoffnung und Mut. Sie wollte endlich frei werden von dieser Last, die sie mit sich herumtrug: dass sie nicht vergeben konnte und großen Hass spürte.
Für mich war es sehr beeindruckend zu erleben, dass Versöhnung auch in solchen schrecklichen Situationen, die wir in Europa uns kaum vorstellen können, möglich ist. Was ich dort gelernt habe ist, dass wir Hoffnung haben können in jedem Konflikt, den wir auch persönlich in unserem Leben erleben, weil Gott ein Gott der Versöhnung ist.
Mein biblisches Friedensmotto heißt: »Vergebt einander« (Epheser 4,32).
CARSA – Christian Action for Reconciliation and Social Assistance: www.carsaministry.org
Wolf-Georg Winkler – Dem Hass entgegentreten
Mich und einige andere ehemalige Mitglieder des Dresdner Kreuzchores hat es 2016 gestört, wie wenig Gegenwehr es in der Dresdner Zivilgesellschaft gegen die rechtsradikale Pegida-Bewegung gab. Deshalb gründeten wir die Initiative »Erhebet Eure Herzen«. Das Motto heißt: »Für ein friedliches und tolerantes Miteinander in Dresden«. Seitdem laden wir einmal im Monat zu einem ökumenischen Friedensgebet in die Kreuzkirche ein, das wir musikalisch und inhaltlich gestalten.
Denn die Kreuzkirche ist für uns »Kruzianer« seit jeher ein Ort der Besinnung und der Vermittlung von Werten. Dabei sind uns vor allem Gebote wie Nächsten- und Fremdenliebe und der Wunsch nach einem friedlichen Miteinander wichtig. Nach den Andachten schließen wir uns jeweils dann den Gegenprotesten zu »Pegida« an.
Bei den Kundgebungen sehen wir uns regelmäßig mit Menschen konfrontiert, die uns für unser Engagement anfeinden und bedrohen. Einige Menschen können es offenbar nicht ertragen, dass Menschen ihre Vorstellungen nicht teilen und versuchen, ihre eigenen gewaltsam durchzusetzen. Von diesem Hass wollen wir uns nicht anstecken lassen und werden auch weiterhin nicht Gleiches mit Gleichem vergelten, sondern uns zivilisiert und gewaltfrei verhalten. So hoffen wir, aus christlicher Gesinnung Brücken über Parteigrenzen und Altersgrenzen hinweg zu schaffen. Das ist unser Beitrag, Frieden zu stiften in unserer Heimatstadt.
Mein biblisches Friedensmotto heißt: »Schwerter zu Pflugscharen!« (Micha 4,3)
Initiative »Erhebet Eure Herzen«: http://erhebeteureherzen.de
Ulrike Birkner-Kettenacker– Menschen entfeinden
Meine Motivation, mich für Frieden und Versöhnung zu engagieren, hat etwas mit dem Nagelkreuz von Coventry zu tun. Die englische Stadt wurde gleich am Anfang des Zweiten Weltkriegs von der deutschen Luftwaffe zerstört. Aus den Trümmern der Kathedrale wurden drei Nägel geborgen und zum Kreuz geschmiedet: Es wurde zu einem Symbol für Frieden und Versöhnung in der Welt, gerade auch für uns Deutsche.
Als Kind habe ich erlebt, wie Jugendliche aus Coventry einen Flügel des zerstörten Dresdner Diakonissenkrankenhauses wiederaufbauten, gemeinsam mit Jugendlichen von »Aktion Sühnezeichen«. Das hat mich tief berührt. Seitdem weiß ich: Frieden stiften, Versöhnung leben, den Anderen wahrnehmen, zuhören und miteinander reden, stiftet Versöhnung. Das Nagelkreuz und die Versöhnungsarbeit von Coventry bedeuten übersetzt: Sogar Feinde können Freunde werden, wenn sie bereit sind, aufeinander zuzugehen.
Zum weltweiten Netzwerk der Nagelkreuzgemeinschaft gehört seit 2006 auch die Schifferkirchengemeinde »Maria am Wasser« in Dresden Hosterwitz-Pillnitz, an der ich 20 Jahre lang Pfarrerin war. Dresden hat inzwischen fünf Nagelkreuzzentren. Das jüngste ist seit Februar 2019 der »DenkRaum Sophienkirche«. In allen Nagelkreuzzentren der Welt wird jede Woche das Versöhnungsgebet aus Coventry gesprochen.
Mein biblisches Friedensmotto heißt: »Seid untereinander freundlich und herzlich und vergebt einer dem andern, wie auch Gott euch vergeben hat in Christus.« (Epheserbrief 4,32)
DenkRaum Sophienkirche: www.denkraum-sophienkirche.de
Nagelkreuzgemeinschaft in Deutschland e.V.: http://nagelkreuz.org
Charlotte Kaiser – Erinnerungsarbeit stiftet Frieden
Ich habe einen Freiwilligendienst in Chicago in den USA gemacht, am »Illinois Holocaust Museum and Education Center«. Da dort das Thema »Holocaust« zum Schullehrplan gehört, besuchen alle Schülerinnen und Schüler dieses Museum. Jede Führung endete mit der Rede eines Holocaust-Überlebenden.
Mein Mit-Freiwilliger Balthasar und ich waren vor allem für den Kontakt mit diesen Überlebenden zuständig. Dabei hatten wir glücklicherweise ganz viel Zeit, uns mit ihm zu unterhalten. Für mich stand der Kontakt mit den Überlebenden auch im Zeichen der Demut vor den Opfern: Dass man ihre Geschichten hört und ernstnimmt – auch ihre Botschaft, dass so etwas nie wieder passieren darf und dass man sich aktiv für Menschenrechte und gegen Verfolgung und für Frieden einsetzen soll.
Ich empfinde tiefe Dankbarkeit dafür, dass sie mich geduldig an ihrem bewegenden Schicksal und ihren Lebenserfahrungen teilhaben ließen. Erinnerungsarbeit ist eine Form des Friedenstiftens.
Mein biblisches Friedensmotto lautet: »Wer das Leben lieben und gute Tage sehen will, der hüte seine Zunge, dass sie nichts Böses rede, und seine Lippen, dass sie nicht betrügen. Er wende sich ab vom Bösen und tue Gutes; er suche Frieden und jage ihm nach.« (1. Petrus 3,10–11)
Aktion Sühnezeichen Friedensdienste: https://www.asf-ev.de/de/de
Info: Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat unter dem Motto »Friedensgesichter« 12 kurze Videoporträts erstellt, in denen noch weitere Christen von ihrem persönlichen Einsatz für eine friedlichere Welt berichten. Sie finden sich hier: www.ekd.de/friedens-gesichter-46773.htm
Teilnehmer: 50
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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