Soziale Prüfsteine zur Landtagswahl
Was erwartet die Diakonie vor der Landtagswahl von Sachsens Parteien? Fragen an Friedhelm Fürst, kaufmännischer Vorstand der Diakonie Sachsen
Herr Fürst, Sachsen gehört zu den Bundesländern mit dem schlechtesten Personalschlüssel für Kindergärten – sehen Sie eine Partei, die das ändern könnte?
Fürst: Die Erkenntnis, dass die Personalsituation verbessert werden muss, haben alle Parteien – aber alle schrecken mehr oder weniger davor zurück, das aus Landesmitteln zu bezahlen und verweisen auf die Kommunen. Doch es bedarf einer gemeinsamen Anstrengung des Bundes, der Länder und Kommunen. Die Erhöhung der Kita-Pauschale durch die schwarz-gelbe Koalition ist nicht viel mehr als ein Ausgleich der Kostensteigerungen.
Die sächsische CDU-FDP-Regierung hat die Mittel für die Jugendarbeit massiv gekürzt – muss die Jugendpauschale wieder aufgestockt werden?
Fürst: Wir sehen es als Aufgabe des Freistaates an, eine Jugendpolitik zu betreiben, die vorbereitet auf ein selbstständiges Leben und auf Demokratie. Dafür muss auf jeden Fall die Jugendpauschale wieder angehoben werden – gerade im ländlichen Bereich, wo durch die Kürzungen Löcher in der Jugendarbeit entstanden sind.
Kinder mit Behinderungen landen in Sachsen besonders häufig in Förderschulen – muss sich das ändern?
Fürst: Wir haben in Sachsen ein hohes Bildungsniveau, aber auch einen hohen Anteil von acht bis zehn Prozent der Gesamtschülerzahl in Förderschulen, die oft ohne Abschluss bleiben. Das kann sich ein Land mit Fachkräftemangel nicht leisten, diese Jugendlichen von den Chancen auf Arbeit und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben abzuhängen. Es müssen die Rahmenbedingungen für eine stärkere Inklusion geschaffen werden.
Die schwarz-gelbe Koalition feiert den Abbau der Arbeitslosigkeit – doch die Zahl der Langzeitarbeitslosen bleibt unverändert – was tun?
Fürst: Wir brauchen auf jeden Fall einen öffentlich geförderten Arbeitsmarkt für Menschen, die aufgrund von Alter, Krankheit oder ihrer Biographie nicht in den ersten Arbeitsmarkt finden.
Was muss eine neue Landesregierung für die wachsende Zahl an Flüchtlingen tun?
Fürst: Sachsen wirbt damit, dass es weltoffen ist – doch in der Realität ist manchmal nicht viel davon zu sehen. Es darf nicht eine rein wirtschaftliche Sicht auf Ausländer geben. Für die soziale Betreuung der Asylbewerber müssen mehr Ressourcen bereitgestellt werden. Da sind auch wir als Christen gefordert.
Diese folgenden Texte könnte man an den Wahlprüfsteinen messen:
Bei den Landtagswahlen in Sachsen hat die Alternative für Deutschland (AfD) ein gutes Ergebnis eingefahren. Noch besser, als viele politische Beobachter erwartet hatten.
Aber wofür steht die Partei wirklich? So recht mag die Positionsbestimmung bislang nicht zu gelingen. Da repräsentieren einerseits gestandene Professoren oder ehemalige Journalisten die Partei, die beispielsweise zu Recht europäisches Missmanagement kritisieren.
Aber auf der anderen Seite sind auch immer öfter Stimmen aus der Partei zu hören, die auf eine eher fragwürdige Gesinnung schließen lassen.
Das zeigen aktuell etliche Auszüge aus internen Positionspapieren der AfD Sachsen, die die österreichischen Hacker von Anonymus geleaked und nun auf Twitter gepostet haben.
Die Dokumente habe man direkt von der AfD Sachsen "bezogen", twitterte Anonymus. Einige Beispiele:
"Kinder nichtdeutscher Staatsbürger" sind für die AfD wohl weniger wert ... pic.twitter.com/MmlALGfn7L
— AnonAustria (@AnonAustria) September 2, 2014
Die AfD findet, dass das Thema "Schreckensherrschaft der NSDAP" den Geschichtsunterricht zu sehr "überschattet": pic.twitter.com/6RAstU3QXk
— AnonAustria (@AnonAustria) September 2, 2014
Die AfD will eine "deutschenfeindliche Straftat":
Ist dieses Dokument eigentlich bekannt? pic.twitter.com/IuZebUU6gk
— AnonAustria (@AnonAustria) 1. September 2014
Jedenfalls enthält es einige interessante Forderungen, zB "Überwachung des Telekommunikationsverkehrs": pic.twitter.com/BsJm9tJXJG
— AnonAustria (@AnonAustria) 1. September 2014
Oder auch die "deutschenfeindliche Straftat": pic.twitter.com/TQ8R2WtR2j
— AnonAustria (@AnonAustria) 1. September 2014
Die AfD hat auch sehr klare Vorstellungen, was Erziehung angeht:
Die AfD Sachsen will eine "Leitkultur in Bezug auf das anzustrebende Verhalten von Kindern und Jugendlichen": pic.twitter.com/oDI8kTj03p
— AnonAustria (@AnonAustria) 1. September 2014
Dieses "anzustrebende Verhalten" will man u.a. mit bis zu 4 Wochen Jugendarrest erzwingen: pic.twitter.com/DsZ1SVn6bI
— AnonAustria (@AnonAustria) 1. September 2014
Einige der Punkte hatten es auch ins offizielle Wahlprogramm der AfD Sachsen geschafft.
Dort sitzt die Partei, die diese Papiere verfasst hat, nun im Landtag. Man muss sie sehr genau im Auge behalten.
Johannes Lehnert
Wie schon oben: Lieber Herr Lehnert, wenn ich das, was Sie hier zitieren, im Orginal und im Zusammenhang lese, dann frage ich mich, wer den die wahren Populisten sind.
Die Hacker haben sich genau das rausgepickt, was ihnen in den Kram past und auf was bestimmte Leute natürlich anspringen.
Dabei ist nicht mal alles wirklich so zu finden. so steht in dem gehackten Papier nirgends etwas von einer "deutschenfeindlichen Straftat".
Was den Geschichtsunterricht anbelangt, so denke ich auch, das Deutsche Geschichte nicht aus zwölf Jahren besteht und wesentliche Teile, wie eben die Befreiungskriege oder auch 1848 schmählich vernachlässigt werden.
Auch ich habe eine klare Vorstellung von Erziehung und da gehört dazu, das Zerstörung öffentlichen Eigentums durch jugendliche und manchmal auch kindliche Vandalen kein Kavaliersdelikt ist.
Wir kennen beide Leipzig. wie sieht es den da in manchen Ecken aus? Finden Sie die beschmierten Häuserwände toll? Ich war im Urlaub in Polen. In Danzig habe ich das nicht gefunden und in Posen auch nicht. Sind die Kids dort besser erzogen? Warum soll es hier nicht gehen. Es gibt schon so etwas, wie ein Verhalten, das anzustreben ist.
Gert Flessing
Wie schon oben:
Lieber Herr Flessing,
selbstverständlich haben Sie recht, dass der Text, den ich zitiere, populistisch ist; die Auswahl, die der Schreiber getroffen hat, ist einseitig und die Absicht ist erkennbar. Dadurch unterscheidet er sich nicht von den Texten, die aus dem Rheinland im Dutzend verlinkt werden. Ich wollte es eben auch einmal...
Jetzt wird mir das Missverständnis klar. Ich habe die Quelle des Artikels nicht benannt: http://www.huffingtonpost.de/2014/09/02/afd-interne-papiere-rassistisch_... -
Ich bitte um Verzeihung.
Lieber Herr Lehnert, ich habe es bei der gleichen Quelle gelesen. Ich finde das, was die AfD in ihrem Papier (hätten sie es da, ware es nicht gehackt worden) hat, nicht wirklich rassistisch. Aber mir ist schon klar, das es von gewissen Gruppen dahingehend ausgelegt wird, um die Partei von Anfang an zu diskreditieren.
Dadurch, das Bruder Petry bei uns im Konvent ist, weiß ich auch, welche Probleme seine Frau mit ihrem Unternehmen hatte. Da ist Hähme wohl nicht wirklich angebracht. Ich finde es mutig, das sie sich in die Politik einbringt. Nötig hätte sie es nicht gehabt.
Gert Flessing
Lieber Gert,
danke für Deinen klärenden Beitrag.
Du siehst ja selbst, was hier manche "aufrechte" Schreier so veranstalten. Das gucken die sich sicher von den "Regierungsparteien" ab!
Diese Partei muss man nicht diskreditieren, dafür sorgt sie schon selbst. Das geht zum Beispiel so: "Die Alternative für Deutschland ist eine Partei neuen Typs." (Von der Webseite der AfD, Selbstdarstellung, unter der Frage "Wer ist die AfD?") An das letzte Mal, als ich es mit einer Partei neuen Typs zu tun hatte, habe ich durchaus sehr zwiespältige Erinnerungen. Und weil´s so schön ist, dazu eine Anmerkung von Hannah Arendt: "Die Partei neuen Typs vertritt die Interessen von allen, und wer meint, von dieser Partei nicht vertreten zu werden, der hat es nur noch nicht gemerkt." Ist schon witzig, jawoll!
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