»Gott erhalt’s«
Das Deutsche Reinheitsgebot feiert seinen 500. Geburtstag ein Jahr vor der Reformation – Theologie und Bier passen nicht zusammen? Luther sah das ganz anders.Mit der Reformation und dem Reinheitsgebot ist es ein wenig wie mit Hase und Igel: Das Bier war immer schon etwas eher da. Auch beim 500. Geburtstag liegt es ein Jahr vorn. Das eine hat mit dem anderen doch nichts zu tun? Am Boden des Bierglases aber warten erstaunliche Parallelen. Und der Reformator Luther hätte ganz sicher nichts gegen eine Bierblume zum Jubiläum gehabt. Er machte aus ihr sogar große Theologie.
Beiden ging es um die Reinheit. Luther um die Reinheit des Evangeliums. Und den bayerischen Herzögen Wilhelm IV. und Ludwig X. um die Reinheit des Gerstengebräus. Doch historisch lagen die Dinge viel komplizierter, als sie der Reinheitsmythos wahrhaben will. Denn bei allen dreien ging es auch um handfeste Politik.
Luther jedenfalls liebte sein Bier. Wenn es gut war. Wenn nicht, konnte er in heiligem Zorn die Brauer von »Speibier« verfluchen. So wie er auch den »Saufteufel« verfluchte. Seine Frau Katharina aber lobte er für ihre Braukünste. Die hatte sie noch als Nonne im Kloster Nimbschen erlernt.
Die Ordensfrauen und –männer entwickelten über Jahrhunderte das Bier weiter, machten den Hopfen als Würze im Sud populär – und schließlich galt: »Flüssiges bricht Fasten nicht«. In Sachsen braute das Kloster St. Marienstern in Panschwitz-Kuckau noch bis 1973 eigenes Bier, heute lässt es sein Klosterbräu von einer Lausitzer Brauerei herstellen.
Dass Jesus Wasser in Bier verwandelt hätte, lässt sich selbst nach hartnäckiger Recherche nicht nachweisen. Dabei gehörte das flüssige Brot zum Alltag im Alten Orient. Jesus galt seinen Kritikern als »Weinsäufer« (Matthäus 11, 19). Das Alte Testament offeriert gar die Möglichkeit, dass ein fröhlicher Bierrausch ein Gott wohlgefälliges Opfer sein kann (5. Mose 14, 26). Doch stärker noch warnte die Bibel vor den Abgründen des Alkohols (Epheser 5, 18). Sie blickt ohne bierselige Romantik auf die zerstörerische Sucht und ihre Folgen.
Luther aber liebte sein Bier, weil er das Leben liebte. Und er liebte das Leben, weil er fest an Gottes Liebe glaubte. Weil er kein Dogmatiker war. Weil er frei war. Doch die Jahrhunderte nach ihm machten aus seiner Freiheit wieder ein starres Gerüst. Und sie missbrauchten sie für ihre Zwecke: für Machtspiele, Nationalismus, Abgrenzung, Ausschluss. Dem Reinheitsgebot erging es ganz genauso.
Denn in Wirklichkeit hatten die bayerischen Herzöge schon bald wieder allerlei Zutaten wie Koriander und Lorbeer erlaubt. Erst nach 1918 begannen die deutschen Brauer vom Reinheitsgebot zu sprechen: um ausländische Biere abzuwehren. Heute feiern sie dessen 500-jähriges Jubiläum. Großes Marketing. Eine historisch-kritische Untersuchung ihrer Wurzeln stieße unter ihnen wahrscheinlich auf ein ebenso geteiltes Echo wie in der Kirche.
Im erzgebirgischen Zwönitz hat der Braumeister Dominik Naumann gerade ein mit Kaffeebohnen gebrautes Bier im Tank liegen. Er hat auch schon mit Ingwer gebraut und mit Himbeeren, und zur Weihnachtszeit macht er Bier mit Nelken. »Man muss auch mal jenseits des Reinheitsgebotes etwas probieren«, sagt der Inhaber der kleinen Zwönitzer Brauerei. Sie verdoppelt ihre Produktion fast jedes Jahr und exportiert mittlerweile bis nach Italien und Dänemark. »In den letzten Jahrzehnten gab es in Deutschland doch fast nur Einheitspilsner«, sagt Naumann. »Relativ geschmacksneutral.« Reinheit kann manchmal auch heißen: tot.
Luther aber wollte in seiner Reformation den Gott des Lebens neu entdecken. »Ich sitze hier und trinke mein gutes Wittenbergisch Bier«, sprach er, »und das Reich Gottes kommt von ganz allein.« Reinheitsgebote aller Art braucht es dafür gar nicht.
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