Geld regiert die Bildung
Ungerechtigkeit: Kinder aus wohlhabenderen Familien machen oft höhere Bildungsabschlüsse als Kinder aus ärmeren Familien. Dabei gibt es Möglichkeiten, das zu ändern.Sachsen ist stolz auf seine guten Schulen. Auch im Fach Gerechtigkeit liegt es im Bildungsmonitor 2016 des Instituts der deutschen Wirtschaft weit vorn: Im Freistaat sei »der Einfluss der sozialen Herkunft der Kinder auf deren Bildungsergebnisse sehr gering«. Denn über 81 Prozent der sächsischen Kindergarten- und Grundschulkinder werden ganztags betreut – bundesweit sind es nur rund halb so viele. Hier erhalten auch die Schwächeren Unterstützung.
»Sachsen steht in vielen Studien gut da, weil die Förderschulen oft außen vor bleiben«, kritisiert Christian Kurzke, Studienleiter für Jugendpolitik an der Evangelischen Akademie Meißen. Fünf Prozent der sächsischen Schüler besuchen eine Förderschule – mehr als in den meisten anderen Bundesländern. »Was die Statistik außerdem schönt, ist der gegenüber den alten Bundesländern und Berlin geringe Anteil von Migranten und den damit verbundenen Inklusionaufgaben«, so Kurzke. Hinzu kommt: 8,5 Prozent aller sächsischen Schulabgänger im letzten Jahr erreichten nicht einmal einen Hauptschulabschluss. Unter Schülern mit ausländischen Wurzeln ist dieser Anteil sogar fast doppelt so hoch, bemängelte der Bildungsmonitor. Auch das ragt deutschlandweit heraus. Negativ.
Die Chancen sind in Deutschland ungleich verteilt. Akademiker-Kinder gehen oft aufs Gymnasium und studieren. Dagegen erreichen von jungen Erwachsenen aus bildungsfernen Milieus bloß zehn Prozent einen Hoch- oder Fachschulabschluss, heißt es im Bildungsbericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) vom letzten Jahr. Nur in sechs der 35 untersuchten Länder seien die Chancen auf Bildungsaufstieg geringer als in Deutschland. Andere Studien zeigen einen wachsenden Anteil von Uni-Absolventen aus nicht-akademischen Familien hierzulande.
»Keiner darf verloren gehen«, fordert Oberlandeskirchenrat Burkart Pilz, der Bildungsdezernent der sächsischen Landeskirche. Gerechtigkeit in der Bildung ist für ihn eine »reformatorische Kerneinsicht«. Denn schon Luther habe die Fürsten aufgefordert, Schulen zu gründen für jedes Kind: Jungen wie Mädchen, reiche wie arme.
Mit Blick auf verschiedene Studien übersetzt Burkart Pilz diesen Auftrag heute so: »Die Frage der Bildungsgerechtigkeit entscheidet sich am Anfang eines Bildungsweges – Elternhaus und die Kita sind dabei die ersten und wichtigsten Bildungsorte.« Deshalb fordert er eine Stärkung der Familien ebenso wie eine Verbesserung des »im Vergleich sehr schlechten Personalschlüssels in sächsischen Kitas«.
Noch immer bekommen Schüler aus ärmeren und geringer gebildeten Elternhäusern nach der 4. Klasse öfters eine Bildungsempfehlung für die Oberschule als für das Gymnasium. Bei wohlhabenden Akademikerkindern ist es umgekehrt. »Eine Trennung erst nach der 6. Klasse oder eine Gesamtschule wären bessere Möglichkeiten«, sagt Christian Kurzke von der Evangelischen Akademie Meißen. »Oder wirkliche Ganztagsschulen, wo die Nachmittage mit qualitativer Bildung gefüllt werden und nicht nur mit Zeitvertreib.« Dann hätten auch Kinder aus Familien, in denen weniger gefördert und gelesen wird, mehr Chancen.
»Dass an evangelischen Schulen keine soziale Sonderung sein darf – das müssen wir uns auch selbstkritisch immer wieder vor Augen halten«, sagt Oberlandeskirchenrat Burkart Pilz. Denn freie Schulen verlangen Schulgeld von den Eltern. Der landeskirchliche Bildungsdezernent beklagt ihre fehlende »faktische Gleichstellung« mit staatlichen Schulen bei der Finanzierung durch das Land Sachsen, die Elternbeiträge nötig mache. »Die Verfassung will es nach meiner Lesart anders«, sagt Burkart Pilz.
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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