Ist Sachsens Kirche zu hart?
Konservativ: Nach dem Weggang von Jugendwart Jens Ullrich aus Sachsen ist klar: die Landeskirche hat ein Problem mit Vielfalt. Zahlreiche Betroffene lösen das Problem durch Flucht aus Sachsen. Quo vadis Landeskirche?
Wieder hat ein homosexuell lebender Verkündigungsmitarbeiter der sächsischen Landeskirche den Rücken gekehrt: der angefeindete Jugendwart des Kirchenbezirks Aue, Jens Ullrich, wird eine Stelle in einer anderen Landeskirche antreten. Damit fügt er sich in die immer länger werdende Reihe andersliebender Verkündigungsmitarbeiter, die keinen Platz mehr für sich in der Landeskirche Sachsens sehen.
Bereits im Frühjahr 2016 ist das Pfarrerehepaar Ciprian Mátéfy und Stephan Rost aus Dresden und Börln nach Schleswig-Holstein gewechselt. Im Sommer 2016 folgte ihnen Pfarrerin Katrin Jell mit ihrer Partnerin und tauschte ihre Pfarrstelle in Hohnstein mit der in Zahrensdorf (Boitzenburger Land). Gegenüber dem Deutschlandfunk erklärte sie damals: »Im System Landeskirche hab ich nicht die Freiheit und den Rückhalt gespürt, den ich brauche, um glücklich arbeiten zu können.« Als sie sich mit ihrem Wechselwunsch an das Landeskirchenamt der Nordkirche wandte, wurde ihr und ihrer Lebensgefährtin »mit unglaublichem Respekt« begegnet. Das habe sie gelehrt, »in einer ganz neuen Form wieder aufrecht zu gehen«.
Und im vergangenen Jahr bewarb sich die mit einer Frau verheiratete Vikarin Jennifer Scherf nach ihrem Vikariat in Leipzig nicht in Sachsen – und ist nun Pfarrerin in Leuna. Gegenüber dem SONNTAG sagte sie: »Das Klima in der sächsischen Landeskirche ist im Moment schwierig für gleichgeschlechtlich liebende Paare.« Zwar könne sie in ihrer Leipziger Vikariatsgemeinde nur auf positive Erfahrungen verweisen. Allerdings habe ihre Zeit im sächsischen Regionalkurs und der Blick über Leipzig hinaus gezeigt, wie schmerzhaft es im Moment sei, in der sächsischen Landeskirche als Pfarrerin arbeiten zu wollen. »Ich wurde reduziert, mir wurde vom Pfarrberuf abgeraten und was am meisten schmerzte, es war kein wirklicher Dialog möglich.« Außerdem litt sie darunter, dass die breite Masse zu dem Thema »schweigt und sich die Ausgrenzung und Diskriminierung lieber schön-, beziehungsweise wegredet«.
In der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) machte sie andere Erfahrungen. »Ich hatte das Gefühl, tatsächlich als Theologin in den Blick genommen zu sein, nicht nur als lesbische Pfarrerin.« Zudem sei ihr von Personalseite jede Unterstützung zugesagt worden.
Dass andersliebende Mitarbeiter ihr Heil lieber in anderen Landeskirchen suchen, verwundert den emeritierten Leipziger Professor für Praktische Theologie, Jürgen Ziemer, nicht. Denn er schätzt die »evangelikalen Kräfte« in Sachsen als besonders stark ein. Für diese gelte das Thema Homosexualität als eine Art Erkennungszeichen bibelfester Rechtgläubigkeit. Und das, obwohl Homosexualität kein Thema des Glaubens, sondern ein Aspekt menschlicher Wirklichkeit sei. »Kein Wunder, wenn homosexuelle Mitarbeiter die Landeskirche verlassen. Herr Ullrich war ja nicht der erste und wird nicht der letzte gewesen sein, so traurig das ist«, sagte Ziemer. Sieht er einen Ausweg? Ja. Man sollte das Kirchenbild Luthers wiederentdecken und die Kirche als ein »mixtum compositum« begreifen – als ein »gemischt Zusammengesetztes«. »Man müsste heute vielleicht konsequenter beschreiben und durchdenken: was hält uns zusammen, wo lassen wir uns frei?«
Die Theologin Barbara Zeitler vom sächsischen »Forum für Gemeinschaft und Theologie« fordert darüber hinaus einen klaren Kurs der Kirche, wenn Menschen diskriminiert werden. »Von den Gremien, wie Kirchen- und Kirchenbezirksvorständen, erwarte ich, dass Schwule und Lesben im Dienst unterstützt und anerkannt werden wie alle anderen und nicht in ihrem Personsein in Frage gestellt und verunsichert werden.«
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
Zum Vergrößern hier klicken.
Weitere Impressionen finden Sie hier.