Fürchtet euch nicht
Glauben: Es wird Advent inmitten unruhiger Zeiten. Vielerorts herrscht Untergangsstimmung und Angst. So wie in der Zeit der ersten Christen. Aber die Ankunft des Heilands verwandelte die Angst.Wenn pünktlich zum ersten Advent in vielen Häusern die Kerzen angezündet, die Pyramiden angeschoben und die Schwibbögen aufgestellt werden, erscheint das wie eine Gegenwelt. Draußen, so will es scheinen, herrscht Endzeit. Drinnen, so will man meinen, herrscht Heilszeit. Und das ist nicht bloßer Schein. Sondern die Gestalt gewordene christliche Frohbotschaft. Die heißt eben nicht: »Siehe, du gehst dem Untergang entgegen.« Sondern: »Siehe, dein König kommt zu Dir.«
Entgegen der mittlerweile weit verbreiteten und tiefsitzenden Angst vor Untergängen aller Art, klingt diese Adventsbotschaft einmal mehr weltfremd. Angst steht ganz oben auf der Tagesordnung. Nicht die Ankunft des Heils.
Der Soziologe Heinz Bude spricht gar davon, dass wir in einer »Gesellschaft der Angst« leben – einer Zeit, in der etwas zu Ende gehe, aber noch keine Idee für einen neuen Anfang da ist. Das erzeuge eine »namenlose Zukunftsangst«.
Tatsächlich geht die Angst um – vor sozialem Abstieg ebenso wie vor den Folgen des Klimawandels oder neuen kriegerischen Konfrontationen. Jedoch, so der Leipziger Religionssoziologe Gert Pickel, würden die vielschichtigen Verunsicherungen oft auf eine Hauptursache reduziert: die präsenter werdende Religion des Islam. Ohne die realen Probleme in einer multikulturell werdenden Gesellschaft zu leugnen, fragt Pickel, wie berechtigt diese Angst vor dem Islam eigentlich ist. Und ob damit tatsächlich das Problem bei der Wurzel gepackt ist. Er bemerkt, dass sich das so verbreitete negative Islambild vor allem aus den Medien speist, die vom Islam häufig nur im Zusammenhang mit Terroranschlägen berichten. In vielen Köpfen habe sich ein vorgefasstes Bild von Muslimen festgesetzt, das mangels direkter Begegnungen keinen Realitätsabgleich bekommt.
Damit sei es für politische Kräfte ein Leichtes, die frei umherschwirrende »namenlose Zukunftsangst« vereinfachend auf den Islam zu projizieren und mit dem Ruf nach mehr Sicherheit und Abgrenzung breiten Einfluss zu erwirken. Pickel nennt das »Angstmacherei« mit Hilfe einer »Instrumentalisierung des Islam«. Er wünscht sich weniger Emotionen in der öffentlichen Debatte und mehr vernünftige Analyse. Doch vorherrschend ist derzeit etwas anderes: Eine neue »Lust am Untergang« (Frank-Walter Steinmeier). Die Angst will adressiert und ausgelebt werden. Die Angstmacherei ist ein einträgliches Geschäft.
In dieser Zeit wird es nun wieder Advent. Und vielleicht ist diese Adventszeit gar nicht so weit entfernt von der Adventszeit der ersten Christen. Denn auch damals herrschte Untergangsstimmung. Das Ende schien zum Greifen nahe und wurde von so manchem Apokalyptiker drastisch herbeigeredet.
Doch das Ende der Zeit bekam dann ein ganz anderes Gesicht. Das eines Kindes. Eine tiefe Beruhigung aller Angst kommt von der Krippe her – und dem überwundenen Kreuz. Seither heißt der christliche Ruf nicht »Fürchtet euch!« Sondern: »Fürchtet euch nicht!« Denn: »Siehe, dein König kommt zu dir.« Nicht auf den Abgrund steuert alles zu. Sondern auf das geheilte Land. Wir dürfen darauf vertrauen, weil das unauslöschliche Licht der Welt schon erschienen ist.
Deshalb klingt eine adventliche Ermahnung der ersten Christengemeinde so, als wäre sie in die heutige Zeit gesprochen: »Lasst uns festhalten an dem Bekenntnis der Hoffnung und nicht wanken; denn er ist treu, der sie verheißen hat. Und lasst uns aufeinander achthaben und uns anreizen zur Liebe und zu guten Werken, und nicht verlassen unsre Versammlungen, wie einige zu tun pflegen, sondern einander ermahnen, und das um so mehr, als ihr seht, dass sich der Tag naht« (Hebräer 10,23).