Sehnsucht nach tieferem Trost
Der Journalist Tillmann Prüfer hat sich nach dem Tod eines Freundes dem christlichen Glauben angenähertHerr Prüfer, Sie haben als verhältnismäßig junger Mensch ein Buch über den Tod geschrieben. Wie kam es dazu?
Tillmann Prüfer: Der Tod war sehr plötzlich in mein Leben getreten. Ein enger Freund war an einem sehr gefährlichen Gehirntumor erkrankt und verstarb innerhalb von drei Monaten. Es hatte keine Möglichkeit für mich gegeben, mich darauf vorzubereiten. Der Tod ist etwas, das wir mit aller Kraft aus unserem Leben ausblenden, bis er plötzlich vor uns steht. Und da stellte ich fest, dass mir nichts, was ich im Leben glaubte gelernt zu haben, noch helfen konnte. All die kleinen Strategien, Weisheiten und auch die Zuversicht, dass alles schon irgendwie gut gehen würde, waren weg. Ich spürte die Sehnsucht nach einen anderen, tieferen Trost. Ich hätte in diesem Zustand verzweifelter Trauer gerne einen Glauben gehabt. Aber den hatte ich nicht – also machte ich mich auf die Suche danach. Und daraus entstand mein Buch »Weiß der Himmel …?«
Und sind Sie fündig geworden? Konnten Sie mit Hilfe des Glaubens die Krebserkrankung des Freundes bewältigen?
Die Krebserkrankung konnte ja leider nicht bewältigt werden. Und ich glaube auch, dass der Verlust eines wichtigen Menschen nicht im Wortsinn bewältigt werden kann. Die Trauer ist ja keine Krankheit, die man bekämpfen kann. Sie gehört nur irgendwann zum Leben dazu und kann sich sogar zu etwas Positivem wandeln, zum Andenken an den Verstorbenen, das ihn weiter Teil des eigenen Lebens bleiben lässt. Meine Annäherung an die Kirche war zunächst eine ganz physische und sinnliche. Es tat gut, einen Ort zu haben, zu dem ich gehen konnte und nicht funktionieren musste. Es tat gut, die Orgel zu hören, es tat gut, zu beten. Schon weil es half, die eigenen Gefühle in Worte zu packen, fassbar zu machen. Das waren Dinge, die mir ermöglichten, wieder etwas Boden unter die Füße zu bekommen. Und von da an ging es weiter. Das waren meine ersten Schritte zum Glauben. Ob ich auf diesem Weg schon irgendwo angekommen bin, weiß ich nicht. Für mich ist Glauben kein statischer Geisteszustand. Glauben ist für mich eine ständige Auseinandersetzung mit den wichtigsten Fragen der Existenz.
Worin besteht für Sie der christliche Trost des Glaubens im Angesicht des Todes? Können Sie an die Auferstehung Christi als Ermöglichung der eigenen Auferstehung glauben?
Für mich ist es zunächst einmal eine persönliche Entscheidung: Was will ich eigentlich? Es gibt letztlich zwei Arten auf die Welt zu blicken: Entweder man sieht sie als Chaos ohne Sinn, in dem der Zufall regiert. Dann gibt es auch keine Ordnung, keine Moral, kein »richtig« oder »falsch« und natürlich keinen Gott. Oder man glaubt an einen Sinn, an eine Ordnung, in der wir aufgehoben sind, auch wenn wir sie letztlich mit unseren Sinnen nicht begreifen können: An eine göttliche Ordnung. Dann gibt es eine Hoffnung, die über Leben und Tod steht – und an diese Hoffnung darf ich mich auch im Angesicht des Todes halten. Und dann kann ich auch an die Auferstehung Christi glauben. Jene ist ja nicht nur eine schöne Mär, die man für bare Münze nehmen kann, wenn man bloß naiv genug ist. Die Auferstehung ist etwas, das die Menschen damals tatsächlich subjektiv so erlebt haben. Was immer es auch war – es war ein Ereignis, das eine Schar von Jüngern, die schockiert von der Hinrichtung ihres Propheten war, auf der Flucht umkehren ließ und sie zu Aposteln machte. Für mich zeigt diese faszinierende Geschichte, dass es möglich ist. Dass man die Kraft haben kann, auch in der äußersten Verzweiflung umzukehren und die Dinge zu etwas Gutem zu machen. Das bedeutet die Auferstehung Christi für mich persönlich. Mit meiner eigenen Auferstehung beschäftige ich mich, wenn es mal soweit ist.
Normalerweise sind Sie als Redakteur des ZEIT-Magazins eher in weltlichen Bereichen unterwegs und spüren den Moden und Trends dieser Zeit nach. Die Kirche wirkt demgegenüber etwas altbacken und »von gestern«. Werden Sie manchmal für Ihre Glaubensversuche belächelt? Und: Was raten Sie der Kirche, um eine Relevanz auch für jüngere Menschen zu gewinnen?
Ich bin bestimmt nicht der Richtige, um Tipps zur Reform von Großorganisationen zu geben. Aber ich meine, dass der Glaube eine Auseinandersetzung ist, die jeden Menschen beschäftigt. Meiner Erfahrung nach kann man sich sehr gut mit Menschen darüber austauschen. Wir alle leben ja gewissermaßen im Angesicht des Todes. Wir alle leben damit, dass alles, was wir zu sein meinen, im nächsten Moment hinfällig sein kann. Mein Buch ist ein Angebot darüber, über dieses wichtige Thema, das uns alle bewegt, ins Gespräch zu kommen.
Und ist das schon gelungen?
Natürlich treffe ich oft Menschen, die den christlichen Glauben naiv finden. Aber Naivität ist offenbar relativ. Denn ich treffe auch Menschen, die mich für blauäugig halten, weil ich nicht sehen will, dass Bill Gates die Menschheit versklaven möchte. Für mich ist Glauben eine intellektuell sehr anspruchsvolle Angelegenheit. Und als solche sollte auch die Kirche sie wieder begreifen, wenn sie nicht als Institution von gestern erscheinen möchte. Vielleicht erlebt die Kirche sich ja heute selbst zu sehr als Organisation: als bürokratischen Körper, der seine Strukturen um jeden Preis erhalten möchte. Warum eigentlich? Ich erlebe, dass die Menschen heute mehr auf der spirituellen Sinnsuche sind, denn je. Da gibt es sehr viele Anknüpfungspunkte für die Verkündigung. Und es gibt sehr gute Argumente für den christlichen Glauben. Die Debatte sollte man führen, anstatt sich selbst zu bemitleiden, dass die Menschen nicht mehr selbstverständlich in die Kirche kommen, wenn die Glocken läuten. Für mich ist immer ein guter Denkansatz die Frage: »Was würde Jesus tun?« Der hatte damals ja auch keine Kirche, nicht einmal Internet – und konnte trotzdem die Herzen erreichen. So hoffnungslos kann die Lage also gar nicht sein.
Buchinweis: Tillmann Prüfer: »Weiß der Himmel..?« Wie ich über die Frage nach Leben und Tod stolperte und plötzlich in der Kirche saß. Gütersloher Verlagshaus 2018, 188 S., 18 Euro.
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