A.Rau schreibt:
29. Januar 2016, 21:58
Lieber Herr Rau,
hie sprechen Sie einen wichtigen Punkt an, für den aber die HKM nichts kann. Die untersucht Texte. Aber wir haben die Bibel als ganzes – als Produkt des kirchlichen Wollens. (Für diesen Gedanken bin ich schon mal sehr beschimpft worden.) Und nun ist es eine wesentliche Aufgabe, sich mit diesem – man höre und staune – objektiv gegebenen auseinanderzusetzen. Also eine Theologie der Bibel zu betreiben, die das Werk als Grundtext der Alten Kirche ab dem vierten Jahrhundert nach Christus reflektiert. Und das mache ich mitunter – wenn auch zur Zeit eher selten. Dann haben wir immer noch kein Wort Gottes, immerhin aber eine Urkunde des Glaubens der Kirche. Ihr Anwalt meinte mal, dass dieser Kanon doch offen sein könne – da hatten Sie nicht reagiert (später einmal erstaunlich).
Autorität hatten die Texte übrigens nicht automatisch, sondern so, wie nach Aristoteles Gesetze diese haben – durch Gewohnheit.
Wir müssen heute verstehen, warum es diese Texte waren und nicht andere. Und ich finde Ehrfurcht vor der Tradition ist zwar kein Wahrheitskriterium, aber sie hat für mich einen Wert.
Herzlich
Ihr Paul
Heilig oder historisch?
Theologen drehen jeden Satz in der Bibel um auf der Suche nach historischer Wahrheit. In Kirchgemeinden können das viele nicht nachvollziehen – auch ein Grund für die jüngsten innerkirchlichen Debatten.Was haben die Weihnachtsgeschichte, die Schöpfungserzählungen und die Übergabe der Zehn Gebote an Mose gemeinsam? Sie gehören zu den Kerntexten christlichen Glaubens – und sind, glaubt man historisch-kritischen Forschungsergebnissen, in Wirklichkeit wohl nie geschehen.
Seit der Zeit der Aufklärung klopfen Theologen ausgehend von Deutschland die Bibel Satz für Satz ab, fragen historisch-kritisch nach den Umständen ihrer Entstehung, ihrer Echtheit, sogar nach mündlichen Vorläuferquellen. Und entscheiden so mit dem Werkzeug wissenschaftlicher Wahrscheinlichkeiten, was Gotteswort ist – und was nur der jeweiligen Zeit geschuldet.
»Doch die Gemeindepraxis hat sich sehr weit entkoppelt von der akademischen Theologie«, sagt der Plauener Schulpfarrer Falk Klemm. »Die historisch-kritische Theologie schafft Distanz zur Bibel. Gemeindeglieder haben Trost in ihr erfahren und plötzlich sollen sie über sie urteilen.«
Klemm ist einer der Sprecher der Sächsischen Bekenntnisinitiative, die sich gegen die Öffnung von Pfarrhäusern für gleichgeschlechtliche Partnerschaften wendet. Die harte Debatte um die Haltung der Bibel zur Homosexualität hat hier eine ihrer Wurzeln: Viele Theologen sehen sie historisch-kritisch in der Zeit ihrer Entstehung begründet und damit als überholt an – viele konservative Christen in den Gemeinden verstehen das nicht.
Die Bekenntnisinitiative fordert deshalb Alternativen zur historisch-kritischen Theologie in den Ausbildungsstätten der Landeskirche. »Die historisch-kritische Methode geht aus ideologischen Gründen von dem Aberglauben aus, dass Gott in der Geschichte gar nicht direkt eingreifen kann. Das ist methodischer Atheismus«, kritisiert Falk Klemm. Wunder oder echte Prophetie? Die seien unter rationaler Perspektive undenkbar. »Die historisch-kritische Methode muss aus der Bevormundung durch die Vernunft herauskommen. Dann haben wir wieder Gott direkt«, fordert der Pfarrer.
Studierende mit einer konservativen Frömmigkeit haben auch an der Leipziger Universität mit der historisch-kritischen Methode zu kämpfen. »Das ist für sie oft ein schockierendes Moment«, weiß Cornelius Voigt, Studienassistent des konservativen Leipziger Theokreises. »Ich habe selbst auch großen Gewinn aus der historisch-kritischen Methode gezogen«, sagt Voigt. »Aber sie ist fast die einzige Methode in der universitären Theologie – da würde ich mir mehr Alternativen wünschen.«
Die gibt es vor allem außerhalb des historisch-kritischen Mutterlandes Deutschland. Amerikanische Theologen versuchen in der kanonischen Exegese, biblische Texte stärker von ihrer Stellung in der Bibel her zu verstehen. Aus der französischen Literaturwissenschaft kommt die Idee, die Geschichten der Bibel wie Erzählungen zu analysieren. Und dann gibt es noch die fundamentalistische Bibelauslegung.
»Jede Methode braucht Kritik und Ergänzungen«, sagt Sachsens Landesbischof Carsten Rentzing. »Den Mut dazu wünsche ich mir an den Theologischen Fakultäten – aber dafür sind sie in akademischer Freiheit selbst zuständig und diese Debatten sind in ihnen auch schon angekommen.«
Er selbst habe als Theologe immer historisch-kritisch gearbeitet und diese Methode als Segen empfunden, weil sie auch von Irrtümern befreie, betont der Bischof. »Man muss die Vernunft gebrauchen, um die Heilige Schrift zu verstehen – aber eine Verkündigung wird nur möglich sein, wenn man die Schrift selbst zu Wort kommen lässt neben den wissenschaftlichen Erkenntnissen.« Für den Landesbischof ist das kein Gegeneinander, sondern ein Miteinander.
Gert Flessing schreibt:
29. Januar 2016, 22:10
Lieber Herr Flessing,
Lesen und schreiben fände ich schon wichtig. Hermeneutik halte ich für geradezu fundamental. Empathie und Wissen.
Bin ich froh, dass Sie schreiben: in meinen Augen – hier bei mir sind sie ein Zeichen des Respekts.
Was "fromm" bedeutet, entscheiden die, die das Wort verwenden – so sind Wörter nun mal. Die, die etwa Bastl oder A. Rau fromm findet – positiv gemeint – finde ich nicht fromm.
Zum Rest stimme ich Ihnen zu und ich habe nichts prinzipiell gegen Heilpraktiker*innen einzuwenden. Auch ich habe mit einigen gute Erfahrungen gemacht. Vor allem mit solchen, die über den Tellerrand schauen konnten (Unsere Probleme sind nicht exklusiv.).
Herzlich
Ihr Paul
Paul schreibt:
26. Januar 2016, 15:57
"Also: Wie oft habe ich schon auf Joh. 4 hingewiesen – und das ist eine rhetorische Frage? Sie müssen selber merken, wer dieser Jesus für Sie ist."
Lieber Paul,
über die Begebenheit mit der Frau am Jabobsbrunnen, die einen großen Teil von Joh 4 umfasst, habe ich oft gepredigt.
Dazu 2 Fragen: Was konkret meinen Sie mit dieser Andeutung? Glauben Sie, dass diese Geschichte wirklich so passiert ist (denn außer Jesus und der Frau war niemand dabei)?
LG, Bastl
Paul schreibt: 29. Januar 2016, 22:25
Lieber Paul,
ich habe aber ein Problem, wenn ich mein Auto in eine Werkstatt bringe + sich dort ein Zahnarzt als Mechaniker ausgibt. Unzählige Menschen meinen, in der Kirche Predigten von einem Theologen zu hören, stattdessen steht auf der Kanzel aber ein Literatur- oder Religionswisschaftler oder ein Anthropologe oder ... halt ein Gutmensch, der ihnen seine Gott-losen Weltverbesserungsträume in einer religiös geschminkten Fassung serviert.
A.Rau
Bastl schreibt:
29. Januar 2016, 23:30
Lieber Bastl,
zum Ersten: Was nützt es Ihnen, wenn Sie von meinen Erfahrungen mit Gott/ Jesus etwas hören. Ich will Sie geradezu im Gegenteil dazu ermuntern, sich selbst auf Gott/ Jesus einzulassen, damit Sie dann sagen können, was die Nachbarn der Frau sagten.
Zum Zweiten: Das interessierte weder den Schreiber noch interessiert es mich. Denn darum geht es ja in der Geschichte: Sich nicht auf das verlassen, was jemand erzählt. Aus historischen Ereignissen ergibt sich kein Glaube. Nur aus Glaube ergibt sich Glaube – aber eben nicht in dem platten Sinn wie dies Ihr ehemaliger atheistischer Gesprächspartner meinte (Er bezieht sich in seiner Vorstellung ja in gewisser Weise auf Sie.)
Herzlich
Ihr Paul
Gert Flessing schreibt:
30. Januar 2016, 10:18
Lieber Herr Flessing,
ich sehe mich jetzt in keinem Widerspruch zu Ihnen. Vielleicht so: Wenn ich mich verwirklichen will – und ich finde das etwas gutes – und dann scheitere, geht es mir vielleicht auch so, wenn ich andere Glaubensvorstellungen habe. Denken Sie nur an den Abschiedsbrief des Zeltmachers. Wie verzweifelt der klang, weil er keinen Erfolg hatte (oder an Elia, der Erfolg hatte). Ich denke da oft an Meister Eckehardt. Soweit ich aus mir herausgehe, soweit muss Gott in mich hineingehen.
Herzlich
Ihr Paul
A.Rau schreibt:
30. Januar 2016, 10:34
Paul schreibt: 29. Januar 2016, 22:25
Lieber Herr Rau,
wenn Ihnen so ein Mensch begegnet, haben Sie Pech. Ich kenne viele Pfarrer*innen und habe diesen Eindruck eher selten. Ich kenne natürlich einige, die wirklich Mechaniker sind und dann mit groben Werkzeugen die Seelen der Leute bearbeiten. Meist sind das solche, die ähnlich denken wie Sie. Ob die dann den Leuten wirklich helfen?
Und zu den gottlosen Weltverbesserungsträumen kann ich Sie nur auf die Befreiungstheolog*innen verweisen. Was wäre es denn für ein jämmerliches Evangelium, wenn sich daraus keine Konsequenzen für das – auch politische – Zusammenleben ergäben?
Herzlich
Ihr Paul
Sehen Sie, lieber Paul, so verschieden ist das. Ich kenne viele Pfarrer + lese von EKD-Funktionären und habe diesen Eindruck sehr oft.
A.Rau schreibt:
30. Januar 2016, 13:16
Lieber Herr Rau,
ich sprach nur von Pfarrer*innen, nicht von Funktionär*innen.
Herzlich
Ihr Paul
Und ich sprach von Theologinnen und Theologen. Noch eine Zugabe: Ob es Zahnärzte gibt, die gute Automechaniker sind, weiß ich nicht. Aber es gibt jede Menge Religions- und Literaturwissenschaftler, jede Menge Philosophen usw., die sich für gute Theologen halten. Eine realistische Selbsteinschätzung scheint in dieser Zunft nicht sonderlich weit verbreitet zu sein.
A.Rau
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