Für einen Frieden 3.0
FriedensDekade: Anlässlich des Endes des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren sowie der Ökumenischen FriedensDekade stellt sich die Frage: Wie bedroht ist unser Frieden? Und: Wie kann er wirksam unterstützt werden?Zeitgleich zum Beginn der diesjährigen Ökumenischen FriedensDekade wird des Endes des Ersten Weltkrieges am 11. November vor 100 Jahren gedacht. Etwa 17 Millionen Menschen sind dieser »Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts« zum Opfer gefallen – unter anderem durch den verheerenden Einsatz der neuen Kriegswaffe Giftgas. »Die Toten mahnen uns« steht seither an den Gedenktafeln mit den endlos scheinenden Reihen von Namen der Gefallenen. Einer von ihnen war Peter Kollwitz (1896–1914). Der Sohn der Künstlerin Käthe Kollwitz ist am 23. Oktober 1914 18-jährig im belgischen Esen während der sogenannten Ersten Flandernschlacht erschossen worden. Nachdem Käthe Kollwitz die Todesnachricht erhalten hat, schreibt sie in ihr Tagebuch: »Tod fürs Vaterland, das spricht sich so hin. Welch furchtbare Tragödie, welch Triumph der Hölle verbirgt sich hinter der glatten Maske dieser Worte«.
Ihren Schmerz goss sie in Kunst und schuf unter anderem die Figurengruppe »Trauerndes Elternpaar« für den Soldatenfriedhof in Westfladern. Wer vergisst, was Krieg ist, schaue sich diese Figuren an. »Nie wieder Krieg!« heißt ein anderes Werk der Künstlerin, das wie ein wertvolles Vermächtnis auch in Kirchenkreisen weitergegeben wird.
Es scheint Früchte zu tragen: in Mitteleuropa hat seit fast drei Generationen kein heißer Krieg stattgefunden. Und doch geht die Angst um. Die Ökumenische FriedensDekade vom 11. bis 21. November drückt sie in ihrem Motto aus: »Krieg 3.0«. Gemeint ist die mögliche Gefahr eines dritten Weltkrieges, die durch ein neues Wettrüsten und schärfer werdende Interessenkonflikte zwischen den Großmächten entstehen könnte. Auch wird die zunehmende Automatisierung der Waffen problematisiert.
Der EKD-Friedensbeauftragte Renke Brahms sagte zum Motto der Friedensdekade: »Nimmt man die Millionen Opfer von Armut und Hunger, von Vertreibung und Gewalt, die Flüchtlinge vor dem Klimawandel hinzu, so wird deutlich, dass eine Art Krieg geführt wird gegen eine große Zahl von Bevölkerungsgruppen – ein Krieg, in den wir mit unserem Lebensstil, mit Waffenlieferungen aus Deutschland und ungerechten Handelsbedingungen unheilvoll verstrickt sind.«
In Sachsen begleitet Michael Zimmermann die FriedensDekade. Der Friedensbeauftragte der Landeskirche sieht zwar keine direkte Gefahr eines dritten Weltkrieges. Wohl aber die weltweite Zunahme militärischer Konflikte, die aus dem Zusammenprall wirtschaftlicher Interessen im Zuge der Globalisierung und des erstarkenden Nationalismus erwachsen. Demgegenüber betont er: »Frieden ist national nicht erreichbar.« Es gehe nicht um das »Recht des Stärkeren«, sondern um die »Stärke des Rechts«, also um gerechtere Wirtschaftsbeziehungen und internationale Diplomatie und Abkommen.
Gegenüber der immer wieder ins Feld geführten »ultima ratio«, also der Rechtfertigung militärischer Gewalt als »letztes Mittel«, fordert er, alle Kraft in die »prima ratio« zu stecken – in alternative und zivile Konfliktlösungen. Als Beispiele nennt er den Einsatz der »Frauen für ein freies Liberia« und der »Christian Peacemakers« sowie Kampagnen gegen die Aufrüstung wie die »Aktion Aufschrei«.
Auch Renke Brahms wirbt für einen Blickwechsel und wünscht sich, dass die vielen Geschichten vom Gelingen des Friedens und der Versöhnung erzählt werden. Er betont: »Wir brauchen einen Frieden 3.0, der einer wachsenden Gewalt in Wort und Tat entgegentritt, der einer Gewöhnung an militärische Szenarien gewaltfreie Alternativen entgegensetzt und die realistische Perspektive einer Welt in Gerechtigkeit und Frieden zeichnet.«