Kirche ringt mit der Pandemie
Corona: Angesichts von Gottesdienstabsagen und eingeschränktem kirchlichen Leben wird Kritik am Umgang der Kirche mit der Krise laut. Andere wiederum betonen die neuen Chancen.
Das Corona-Virus hält auch die Kirchen fest im Griff. Nach einem harten Jahr, in dem viele kirchliche Veranstaltungen ausfallen mussten und nur ein stilles Ostern und reduziertes Weihnachtsfest gefeiert werden konnte, werden Stimmen laut, die harte Kritik an der Kirche in dieser Pandemie üben. Bereits in der letzten Ausgabe des SONNTAG kritisierte der Journalist Benjamin Lassiwe allzu passive Pfarrerinnen und Pfarrer sowie Kirchenvorstände, die in dieser Krise nach dem Motto agierten, »lieber ein paar Monate gar nichts tun, als irgendetwas falsch machen« (DER SONNTAG Nr. 2, S. 2). Lassiwe sieht in der Corona-Krise eine Verschärfung der ohnehin im Gange befindlichen Kirchenkrise und meint, dass Passivität und bloße »Status-quo-Verwaltung« nicht länger tragbar seien. »Wo das Verhalten von Gemeinden und Pastoren dazu führt, dass sich Menschen enttäuscht von der Kirche abwenden, müssen die Landeskirchen eingreifen – und das künftig bitte stärker als bisher.« Daraufhin gingen erregte Anrufe in der Redaktion ein, die dieser Sicht entweder vehement widersprachen oder aber ihr zustimmten. Einen Widerspruch des Zwickauer Pfarrers Frank Pauli drucken wir auf Seite 10.
Doch Lassiwe steht mit seiner Kritik nicht allein. Am 6. Januar sagte der bekannte Journalist Heribert Prantl in einem Interview mit dem Internetportal <katholisch.de>, die Kirchen hätten im Frühjahr eine »übertriebene Anpassung« an den Tag gelegt und eine »vorauseilende Selbstbegrenzung der eigenen Spielräume« vollzogen. Die Kirche solle an der Seite der Leidenden stehen. »Das habe ich in der ganzen Krise bisher nicht richtig gespürt«, so Prantl und ergänzt: »Ich klage für die Menschen in den Pflegeheimen, in den Altersheimen, die wirklich brutal allein gelassen wurden.« Angesichts der notwendigen Schutzmaßnahmen hätte er sich mehr öffentliche Klage der Kirche über den Schmerz gewünscht, den die Reglementierungen mit sich bringen. Und zu Weihnachten, wo es Gottesdienstabsagen gegeben habe, obwohl im Freien viele Gemeinden gefahrlos hätten feiern können, sagte er: »Ich denke, dieses Feiern gibt auch die Kraft, diese schwierige Zeit durchzustehen. Daran haben viele, auch die in den Kirchen – aus Symbolgründen – die Gottesdienste absagen wollten, viel zu wenig gedacht. Ich glaube, sie haben ihre Aufgabe verraten.«
Der Leipziger Pfarrer Sebastian Keller verteidigt wiederum die verantwortungsbewussten Infektionsschutzmaßnahmen angesichts hoher Corona-Todeszahlen. Die Kritik, Kirche habe die Leidenden allein gelassen, will Keller nicht gelten lassen. »Viele Pfarrerinnen und Pfarrer stehen sehr wohl an der Seite der Schwachen, auch in der Weise zum Beispiel, dass sie derzeit viele Beerdigungen im Zusammenhang mit Corona bewältigen.« Sebastian Keller nimmt ein hohes Maß an Kreativität in seiner Kirche wahr. Von Anfang an hätten viele Kirchgemeinden Online-Angebote gemacht, Telefonketten oder digitale Gebetsplattformen ins Leben gerufen. »Es ging niemals nur darum, dass allein der eingehaltene Abstand Ausdruck von Nächstenliebe ist, sondern dass die Nähe neu ausgedrückt wird«, betont er. An die Bewohnerinnen und Bewohner der Seniorenheime seines Kirchgemeindebezirks hat er für jeden ausgefallenen Gottesdienst einen Andachtsbrief geschickt. Und zu Weihnachten wurde zwar kurzfristig der geplante Weihnachtsgottesdienst im Freien vom Kirchenvorstand trotz strengen Hygienekonzepts abgesagt, aber durch das gestaltete Kirchenschaufenster, »Kirche-to-go«-Pakete mit eigener CD, Weihnachtskarten zum Verschicken, Andachtsheft und dem Friedenslicht sowie Online-Angebote ersetzt. »Das Weihnachtsfest ist nicht einfach ausgefallen, sondern wir haben ein ausgefallenes Weihnachten erlebt«, betont Keller. Er hofft, dass die nun erprobten neuen Wege auch weiterführen und insbesondere die neuen digitalen Möglichkeiten der Kirche neuen Rückenwind geben.