Einziehen in Gott
Leiden: Am Palmsonntag steht die Frage im Zentrum, wie Gott und Leiden zusammengehören. Der auf dem Esel in Jerusalem einziehende Jesus gibt eine stärkende Antwort.
Mir erscheint er in diesem Jahr näher als sonst: der auf einem Esel in Jerusalem einreitende Jesus, der sich konzentriert in sein Leiden hineinbegibt – und damit gänzlich in Gott. Die Leidensgeschichte Jesu entfaltet in unsere zweite Pandemie-Passionszeit das Bild der Stunde: Wir haben gemeinschaftlich einen Begriff vom unausweichlichen Leiden bekommen, in das Menschen, Familien, aber auch Gesellschaften und Länder »einziehen« müssen, weil es mit der Unerbittlichkeit einer verborgenen Übermacht Wirklichkeit wird.
Zwar ist Jesus laut biblischem Bericht freiwillig eingezogen in sein Leid, jedoch spürt man im Hintergrund der Berichte etwas von einer gewissen Unausweichlichkeit dieses Weges, etwa wenn es beim Evangelisten Lukas heißt, dass all das habe geschehen müssen.
Und doch ist die ganze Szene des Einzugs in Jerusalem geprägt vom Bild des Durchzugs – so wie einst das Volk Israel durch das geteilte Meer den Verfolgern entkam, so schreitet nun Jesus hinein in seine Leidenszone, nicht fatalistisch-ergeben, sondern fantastisch-geborgen in Gottes größerer Macht. So wollen es die Evangelien sichtbar machen: Nicht der äußere Schein der Wirklichkeit entscheidet im Letzten, sondern die in der Tiefe der Wirklichkeit wirkende Macht des rettenden Gottes.
Also: Nicht auf die Jubel- oder Wutschreie der Menschen ist etwas zu geben, nicht auf das Beweisen irdischer Macht als König. Vielmehr auf das Sich-Übereignen an die Macht Gottes, um sich von ihr durchtragen zu lassen. Zeichenhaft verdichtet ist das im Bild des auf einem Esel einziehenden Jesus. »Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig, spricht der Herr« – so wird dieses Gottgetragensein später Paulus beschreiben. Es ist eine Kraft von anderswoher, eine Macht, die höher ist als die, die in der Welt zu besichtigen ist. Jesus überlässt sich dieser Gottesmacht. Er vertraut sich dem Gang Gottes an, vielleicht mit dem Bild vom Durchmarsch durch das Rote Meer im Kopf. Er scheut das Leiden nicht – und wird damit zum Urbild vieler Nachfolger.
Wie etwa Dietrich Bonhoeffer, der im Gefängnis nicht irre wurde an seinem Leid, sondern in die größere Kraft Gottes hineinwuchs, sich darin barg – komme was wolle. Er hat das in einem Brief einmal so gedeutet: »Gott lässt sich aus der Welt herausdrängen ans Kreuz, Gott ist ohnmächtig und schwach in der Welt, und gerade und nur so ist er bei uns und hilft uns. Es ist bei Matthäus 8,17 ganz deutlich, dass Christus nicht hilft kraft seiner Allmacht, sondern kraft seiner Schwachheit, seines Leidens! (…) Die Bibel weist den Menschen an die Ohnmacht und das Leiden Gottes; nur der leidende Gott kann uns helfen.«
Das Kreuz in der Mitte des Christentums ist und bleibt eine Herausforderung. Denn es mutet das Leiden zu. Es muss durchschritten und durchlitten werden. Doch das große Zeichen Gottes in Christus ist: Das Kreuz ist der Weg zu Gottes großer Herrlichkeit, ein Einziehen in Gott, bei dem alles verwandelt wird in sein kommendes Heil. Die Wunden sind die Stätte der großen Verwandlung in das neue, geheilte, ewige Leben bei, in und mit Gott.
Insbesondere in diesen Tagen kann das Bild des Durchschreitens Kraft zum Durchhalten entfalten: Dass es ein »Hindurch«, ein »Durchkommen« gibt und dass der scheinbar gottferne Ort des unausweichlichen Leidens der erwählte Ort Gottes ist, an dem er sein Heilswirken vollbringt. Wir können uns in all unserer Schwäche hindurchtragen lassen – wie Jesus vom Esel. Und gerade im Leiden und Mit-Leiden den Weg zu Gott entdecken. Möge es rechts und links schreien, mögen Wellen wogen und Stürme toben – der Weg ist gebahnt und die rettenden Kräfte schon am Wirken. Wer mit dem leidenden und mitleidenden Christus einzieht in Gott, der ist in ihm geborgen und kommt durch.
Impressionen vom Elbe-Tauffest
Impressionen vom Elbe-Kirchentag in Pirna
Festtag 100 Jahre Glaube + Heimat
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