Sich Gott überlassen
Pfarrer Henning Olschowsky aus Mutzschen und Corina Dehnel aus dem Erzgebirge schreiben darüber, was ihnen persönlich die diesjährige Fastenzeit bedeutetFastengedanken 1: Pfarrer Henning Olschowsky aus Mutzschen erlebt in Zeiten einer tiefen Krankheitskrise keine Gottesferne, sondern die Wahrheit des Jesuswortes vom unbedingten Gottvertrauen, das sich einstellt, wenn man sich im Augenblick ganz Gott überlässt.
Als mich die Anfrage des SONNTAG erreichte, im Rahmen der Fastenmeditationen über den Umgang mit meiner Krebserkrankung aus meinem Glauben heraus zu schreiben, zögerte ich zunächst. Die Operation liegt noch keine drei Monate zurück und es ist noch nicht abzusehen, wie es mir in einem halben oder in einem Jahr gehen wird. Seitdem befinde ich mich in einem sehr fragilen Heilungsprozess, der vieles auf den Kopf gestellt hat, was bisher mein Leben bestimmte. Das betrifft meine körperliche Leistungsfähigkeit, die operationsbedingten Einschränkungen, mein bisheriges Selbstbild als vitaler und kraftvoller Mann, der Herausforderungen sportlich angeht und ihnen mit Einsatz und Ausdauer begegnet. All diese Strategien funktionieren nicht mehr. Je mehr ich mich momentan anstrenge, desto stärker gefährde ich die Wundheilung.
Mein großer Lehrmeister ist darum derzeit der Engel der Geduld. Ich musste lernen, Passivität auszuhalten, nichts tun zu können und nichts tun zu müssen. Ich lernte, meinen Körper sensibler wahrzunehmen, der mehr ist als eine funktionierende Maschine. Dass Körper und Geist zusammengehören, wurde für mich zur schmerzgetränkten Erfahrung. Der Schmerz lehrte mich, nach seinem Sinn zu fragen und – damit verbunden – nach Sinn – Geschichten und Sinn – Fragmenten für meine Erkrankung, für mein Leben zu suchen. Ich lernte, die Abwesenheit von Schmerz zu schätzen und empfand in diesen Augenblicken eine große Dankbarkeit für das Geschenk des Lebens.
Zu meinen wertvollsten Lebensgeschenken gehört die intensive Beziehung zu einer liebevollen und verständnisvollen Partnerin, eine wunderbare Familie, gute Freunde und Kollegen, die entlasten und unterstützen.
Auf eine neue Art lernte ich die Kraft der Stille und des Gebets kennen, wenn die Worte versiegten und die aufgescheuchten Gedanken, die unablässig durch meinen Kopf rasten, zur Ruhe kamen. Gedanken wie: »Was hätte in der Vergangenheit anders laufen sollen …« Oder: »Was ist, wenn die Einschränkungen bleiben, der Krebs zurückkommt?« Als ich die Gedanken an Vergangenheit und Zukunft loszulassen vermochte, um im Augenblick zu sein, spürte ich, wie sich Körper und Geist entspannten und mich ein Gefühl von Gelassenheit und Frieden zu erfüllen begann.
In solchen Momenten nehme ich die Welt um mich herum mit anderen Augen und Ohren wahr. Kein Gedanke an Nutzen, warum und wofür, sondern einfach nur da sein, schauen, hören, riechen und – in dem Moment, da ich dies schreibe – die Schönheit des Schneefalls genießen, der die Zweige mit einem kristallinen Überzug bedeckt und die Welt in eine besondere Stille taucht.
In jenen Momenten der Stille gibt es für mich kein Fragen und kein Sorgen. Ich fühle Dankbarkeit für das Erleben dieses Augenblicks, in dem ich mich verbunden fühle mit dem göttlichen Geist, der göttlichen Geistin, die sich in den Dingen manifestieren, zu denen, so ergänzt mein Verstand diesen Satz, neben der Schönheit wohl auch der Schmerz dazugehört. Ich empfinde es als Wunder, wenn in mir dieses Heraustreten aus den festgefügten Weltbildern und Gedankenströmen geschieht und ich in kindlicher Weise schmecke, fühle, höre, sehe, was im Augenblick zu erleben, wahrzunehmen, zu leben ist. Und wie von selbst und geradezu spielerisch fügt mein Verstand – gewissermaßen als Kommentar – zwei Jesus-Worte aus dem Matthäusevangelium hinzu: »Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, werdet ihr nie in das Himmelreich hinein kommen«. (Matthäus 18,3). Und: »Sehet die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater nährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr denn sie? Wer ist aber unter euch, der seiner Länge eine Elle zusetzen möge, ob er gleich darum sorget?« (Matthäus 6,26–27). Henning Olschowsky
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Fastengedanken 2: Für Corina Dehnel aus dem Erzgebirge ist der Glaube die entscheidende Kraft im Leben. Die Fastenzeit und bestimmte Rituale sind Wege, sich ins- besondere in der Corona-Zeit von Gott auffangen zu lassen.
Die Fastenzeit ist wichtig für uns. Wir tauschen uns in dieser Zeit als Familie intensiver aus, haben aber nie bewusst auf etwas verzichtet. Ich nutze die Aktion »7 Woche ohne«, um mich auf Ostern vorzubereiten, mich davon inspirieren zu lassen. Das Fasten soll mich ja von innen öffnen für die Botschaft Jesu – auch jetzt unter den Corona-Einschränkungen. Der jetzige Lockdown ist eine Beschränkung von außen und steht dem nicht im Weg. In mir komme ich mit Jesus in Berührung, ganz leise und sacht. Dafür bin ich dankbar, dass ich mich verändern lassen darf von dieser großartigen Botschaft.
In einem »Danke-Buch« schreibe ich bewusst auf, wofür ich Gott am Tag dankbar bin. Wir dürfen uns geborgen wissen, egal, was gerade für ein Sturm draußen oder in mir drin toben mag. Ich darf darauf vertrauen, dass Gott mit uns da hindurch geht, uns nie allein lässt. Alle Sorgen auf ihn zu werfen und mir meiner Begrenztheit und Schwäche bewusst zu werden – darum geht es. Gott macht das Schönste daraus, was ich mir nie zu träumen gewagt hätte.
Für mich persönlich bedeutet mein Glaube alles. Gott steht an erster Stelle. Seitdem er vor 20 Jahren in mein Leben getreten ist. Da war er auf einmal da und das hat alles verändert. Dafür bin ich sehr, sehr dankbar.
Die Liebe, die ich jeden Tag empfangen darf, die versuche ich weiterzugeben: In meine Familie, in meine Gemeinde. Ich habe Demut vor Gott. Er gibt mit Sicherheit und Lebensfreude. Was Schöneres kann man sich gar nicht vorstellen. Und das versuche ich, an meine Kinder weiterzugeben. Auch ihnen gibt der Glaube Halt. Ich bin froh, dass sie sich alle drei für die Konfirmation entschieden haben. Rituale sind uns wichtig, sie geben Halt im Alltag. Wir beten beim Essen. Sonntags gehen wir in den Gottesdienst – aber nicht regelmäßig. Ich bin in meiner Gemeinde gemeinsam mit einem Team für den Kindergottesdienst verantwortlich. Das macht mir Freude, meine kleine Tochter hilft mit.
In der Corona-Zeit im Frühjahr gab es von unserer Kirchgemeinde die Aktion Balkonsingen und Gebet um 18 Uhr. Das haben wir jeden Tag gemacht. Bis heute sind wir dabei. Derzeit läuft die Aktion »Licht der Hoffnung«. Daran beteiligen wir uns auch jeden Tag: Wir stellen ein Licht auf den Tisch und singen einige Lieder. Das ist für uns ein festes Ritual geworden seit März. Wenn ich es einmal vergesse, dann erinnern mich meine Kinder daran. Und wenn wir unterwegs sind, holen wir es nach. Im März hatte eine Tochter eine Handy-Nachricht von der Jungen Gemeinde bekommen, dass man den Psalm 91 um 20 Uhr beten kann – dann wären alle miteinander verbunden. Das haben wir aufgegriffen. Danach haben wir weiter alle 150 Psalmen gebetet, damit man die auch einmal kennenlernt. Zur Weihnachtszeit haben wir das Lukasevangelium gelesen. Jetzt hat sich ein Kind gewünscht, dass wir das biblische Buch der »Sprüche« durchgehen. Das gibt uns Halt und Sicherheit. Dadurch sind wir mehr zusammengewachsen, sagt auch die große Tochter. Es ist schön, auf diese Weise jeden Abend dieses Ritual zu haben. Es hat uns aufgefangen und wir hatten das Gefühl, man kann trotzdem etwas tun, auch wenn man nicht im Krankenhaus arbeitet. Notiert von Mandy Weigel
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