Das traditionelle Osterreiten in der Oberlausitz muss in diesem Jahr wegen der Corona-Krise abgesagt werden. Grund dafür sei die für Sachsen gültige Allgemeinverfügung, die ein Verbot aller Veranstaltungen bis zum 20. April ausspricht, teilte das Landratsamt Bautzen am Mittwoch mit. Die Landesdirektion Sachsen habe demnach auch die neun geplanten Osterreitprozessionen untersagt.
Der sorbische Brauch zieht in der Oberlausitz jährlich Tausende Schaulustige an. Traditionell verkünden die Ostereiter in den ostsächsischen Dörfern die Botschaft von der Auferstehung Jesu. An den Prozessionen nahmen in den vergangenen Jahren jeweils rund 1.500 Reiter teil.
Der Vorsitzende des sorbischen Dachverbandes Domowina, David Statnik, bedauerte die Absage: »Ich bin sehr traurig, wenn ich daran denke, dass uns der gewohnte Anblick der Osterreiter dieses Jahr fehlen könnte.« Das sei für viele Menschen der Region unvorstellbar. Weder Krieg noch Diktaturen hätten diese Tradition bisher gebrochen – nun aber das Virus. Dennoch dürfe es selbst für Riten und Traditionen keine Ausnahmeregelungen in der Zeit einer Pandemie geben, erklärte Statnik. In der gegenwärtigen Situation hätte das fatale Folgen.
Bereits Ende des 15. Jahrhunderts wurden zwischen Hoyerswerda und Wittichenau Reiterprozessionen veranstaltet. Die Wurzeln dieses Brauchs reichen wahrscheinlich bis in vorchristliche Zeiten zurück. Heute gilt das Osterreiten als öffentliches Bekenntnis zum Christentum.
Ostern ist der höchste Festtag im kirchlichen Jahreskreis. Christen feiern an diesem Tag die Auferstehung Jesu von den Toten. Bei den katholischen Sorben wird die Verkündigung dieser Botschaft am Ostersonntag im Brauch des Osterreitens erlebbar. Ostersaatreiten wird die traditionsreiche Prozession am gleichen Tag von Ostritz aus zum Kloster St. Marienthal genannt. Tausende Besucher kommen jedes Jahr in die Oberlausitz, um an diesen Ereignissen teilzunehmen. In diesem Jahr müssen die Prozessionen, deren Ursprung über fünf Jahrhunderte zurückreicht, nun allerdings ausfallen.
Zur behördlichen Anweisung erklärt Generalvikar Andreas Kutschke vom katholischen Bistum Dresden-Meißen, der als Osterreiter in den vergangenen Jahren selbst regelmäßig an den Prozessionen teilgenommen hat: »Das Osterreiten oder Kreuzreiten und auch das Saatreiten sind althergebrachte, wertvolle Traditionen und ein lebendiges Glaubenszeugnis, besonders in den katholischen Pfarreien des sorbischen Sprachraums und der Oberlausitz. Das Bistum ist dabei nicht der Veranstalter. Anweisungen staatlicher oder kommunaler Behörden ist in jedem Fall Folge zu leisten.
Als Osterreiter habe ich mit sehr großem Bedauern die vom Landkreis Bautzen bekanntgegebene Entscheidung der Landesdirektion Sachsen zur Kenntnis genommen, dass das Osterreiten in diesem Jahr untersagt ist. Man bezieht sich dabei auf die Allgemeinverfügungen, die eine strenge Ausgangsbeschränkung regeln und öffentliche und nichtöffentlichen Veranstaltungen sowie Versammlungen von Menschen untersagen. Eine Auslegung dieser Bestimmungen obliegt nicht dem Bistum, sondern den Behörden.
Ich kann nur alle ermutigen, sich im derzeit möglichen Rahmen auf das Osterfest vorzubereiten, der inneren Haltung entsprechend: Osterreiter ist man das ganze Jahr, Ostern auf dem Pferd und sonst im Alltag: Zeuge des österlichen Glaubens an die Auferstehung. Wie wichtig gerade auch in diesen Tagen! Aber natürlich wird uns allen mit einem Ostern ohne Osterreiten sehr viel fehlen.«
Stichwort: Osterreiten
Die Osterreiter tragen traditionell zum Ostersonntag in Prozessionen die Botschaft von der Auferstehung Christi in die Nachbarpfarrei. Es ist bekannt, dass bereits Ende des 15. Jahrhunderts zwischen Hoyerswerda und Wittichenau solche Prozessionen stattfanden. Die Wurzeln dieses Brauchs reichen wahrscheinlich bis in vorchristliche Zeiten zurück. Durch Feldumritte glaubte man, die jungen Saaten vor der Missgunst des Bösen schützen zu können. Unter dem Einfluss des Christentums wandelten sich die Ritte wohl in christliche Prozessionen, die heute ein öffentliches Bekenntnis zum christlichen Glauben darstellen. Eine Regel gilt bei allen Prozessionen: Nur Männer dürfen in der Prozession im Sattel sitzen.
In der Oberlausitz gibt es neun Osterreiterzüge, in denen überwiegend Sorben mitreiten. Lediglich in der Wittichenauer Prozession gibt es auch einen deutschsprachigen Teil. Hoch zu Ross singen die Männer Lieder, die von der Auferstehung Christi künden. Unter dem Läuten der Kirchenglocken und mit Gesang führt die Prozession normalerweise dabei von der Heimatkirche aus um die Felder bis ins nächste Dorf. Außerhalb der Ortschaften betet die Reiterschar den Rosenkranz und andere Gebete. In ihrer Prozession führen sie das Kreuz, Kirchenfahnen und die Statue des Auferstandenen mit. Alle Reiter tragen Schwarze Zylinder und Gehrock sowie weiße Handschuhe. Auch die Pferde werden für das Osterreiten besonders geschmückt. Die Osterreiter umreiten dreimal die Kirche und den Friedhof. So verkünden sie auch den Verstorbenen die Auferstehung Christi und beten für sie.
Einen ähnlichen Hintergrund wie das Osterreiten hat das Ostersaatreiten von Ostritz. Jedes Jahr am Ostersonntag schwingen sich rund hunter Reiter in Frack und Zylinder vor den Türen der Pfarrkirche »Mariä Himmelfahrt« in Ostritz in den Sattel, um über Felder und Fluren zum Kloster St. Marienthal an der Neiße zu reiten. Sie sind Ostersaatreiter und verkünden vom Pferderücken aus die christliche Osterbotschaft. Seit 1993 wird der Brauch in ökumenischer Gemeinschaft gepflegt. Von den Osterreitern in der sorbischen Lausitz unterscheidet sich der Ritt in Ostritz dadurch, dass neben dem Verkünden der Osterbotschaft die Bitte um gutes Wachstum der Saat auf den Feldern und um Gottes Hilfe für Mensch und Natur im Vordergrund steht.