Ich empfinde es manchmal als schwierig, wie hier versucht wird, Politik oder politische Einstellungen mit (Recht-)Gläubigkeit zu vermischen: ein Christ muss gegen das Kopftuchurteil sein, ein Christ muss für Pegida/gegen Pegida sein, ein Christ muss CDU wählen usw. Gewiss werden aus meinem Glauben bestimmte politische Einstellungen erwachsen und ganz gewiss gibt es Punkte, an denen ich es mir wünsche bzw. es für notwendig halte, dass Christen sich hier am gleichen Punkt finden. Und natürlich gibt es die Punkte, an denen ich mir nicht vorstellen kann, dass Christen zu anderen Haltungen kommen (z.B. Judenhass und Rassenwahn vor 80 Jahren oder Abtreibung heute).
Aber die Wirklichkeit lehrt etwas anderes. War es doch schon zu DDR-Zeiten so, dass manche Christen z.B. den Wehrdienst in der NVA ablehnten und verweigerten oder zu den Bausoldaten gingen und andere mit dem lebenslangen Treueschwur auf den sozialistischen Staat und dem Wehrdienst keine Probleme hatten.
Aber bei diesem Punkt, um den es hier geht, sehe ich es gelassener: wer sprach denn dieses Urteil? Das Bundesverfassungsgericht. Muss sich dieses Gericht nach mir richten? Nein. Ich kann das Urteil und dessen Folgen kritisch sehen (und das tue ich auch) aber ich muss es erst mal hinnehmen – oder mich politisch betätigen und z.B. versuchen in Revision zu gehen. Aber ich kann mich nicht hinstellen und als Christ erwarten und verlangen, dass der Staat Gesetze nach meinem Duktus erlässt. Was hat Jesus denn z.B. zur Frage der römischen Besatzung gesagt? Was hat Jesus denn z.B. zu dem Mann gesagt, der von ihm forderte, in einer Erbschaftsangelegenheit, in der er eindeutig betrogen wurde, für ihn Partei zu ergreifen? Ich denke, es ist für uns immer eine Herausforderung, unsere Beheimatung in der Welt Gottes und unser „in-die-Welt-Hineingestelltsein“ in ein gesundes Verhältnis zu bringen. Sehr hilfreich an dieser Stelle die zwei-Reiche-Lehre von Luther.
Was ich allerdings nicht verstehe, ist die Tatsache, dass mit dem Einstehen für die verfassungsgemäßen Rechte z.B. auch für die Angehörigen anderer Religionen ein quasi Verleugnen des eigenen Glaubensfundamentes einhergeht. Wer meint, mit empörtem Ausdruck auf biblische Berichte zeigen zu müssen, um sich Muslimen in Demut nähern zu können, hat leider vom 1. Gebot nicht viel verstanden. Hier muss es uns gelingen, zwischen dem von Gott geliebten Menschen und seinem Jesus-verleugnenden und von Gott trennenden Irrglauben zu unterscheiden. Die besten Lehrer in dieser Sache sind Christen, die in muslimischem Umfeld leben.
Christoph
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