Lutz Rathenow ist seit 2011 Sächsischer Landesbeauftragter zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Im Interview spricht er über zerfallende Stasi-Akten, Gespräche vor Ort und Geld aus dem SED-Vermögen.
Beschäftigt sich nicht nur mit Stasi-Akten: Lutz Rathenow (r.) mit Professor Florian Steger vor wenigen Tagen im »Medizinisch Theoretischen Zentrum« Dresden, dort sprach Rathenow zum Thema »Traumatisierung durch politisierte Medizin«. ©
Steffen Giersch
Herr Rathenow, wie eng waren Stasi und DDR-Kirche verbandelt?
Lutz Rathenow: Die evangelische Kirche war eine besonders beobachtete, überwachte Struktur, mit einer besonders hohen Durchdringungsdichte von Seiten der Staatssicherheit oder eben den missglückten Versuchen, Mitarbeiter dort zu platzieren. Es gab Spannungssituationen in der Kirche, die man nicht nur mit gut oder böse beschreiben kann, sondern differenziert sehen muss. Aber die Akten belegen mitunter auch Versagen.
Es gab ganz verschiedene Verhaltensweisen. Ein Pfarrer kann als zu nachgiebig erlebt worden sein durch vorauseilenden Gehorsam, der nichts mit Stasimitarbeit zu tun hatte. Wenn einer in einer Stasiakte auftaucht, heißt es aber noch nicht, dass er IM war. Morali