Wie kann Frieden werden?
Christsein und Krieg: Anlässlich des ersten Jahrestages des Ukraine-Krieges veröffentlichen wir vier Zeugnisse der Sehnsucht und Suche nach Frieden.
Im Jahr 1986 schrieb Reinhard Mey sein Lied »Nein, meine Söhne geb’ ich nicht«. Nach der Wende, mit zehn, sang ich es laut mit. Für mich war klar, dass meine Söhne nicht in einen Krieg ziehen, dass Frieden das höchste Gut ist, welches wir als Demokratie haben. 2001 lernte ich meinen Mann kennen. Er war zuvor vier Jahre bei der Bundeswehr und ist aktiver Reservist. Er empfindet es als seine Pflicht, unsere Demokratie und die Freiheit zu schützen. Ich habe das hingenommen. Für mich war Krieg undenkbar. Reinhard Mey singt: »Eher werde ich mit ihnen in die Fremde ziehen, in Armut und wie Diebe in der Nacht!« Jetzt ist Krieg in Europa. Und ich frage mich, ob das wirklich der richtige Weg wäre. Was ist mit denen, die nicht fliehen können? Wer weiß, ob der Krieg nicht hinterher kommt? Welche Opfer ist uns – ist mir – die Freiheit wert? Anja Goritzka
Wie kann Frieden werden? »Das weiß ich nicht«, war mein spontaner Gedanke, als ich diese Frage las. Wenig später fiel mir ein, was ich mit den Geschwistern meiner Diakonischen Gemeinschaft für das tägliche Gebet im Februar 2023 vereinbart habe: »Wir beten für die Menschen in der Ukraine und auf der Flucht, für die Soldaten beider Kriegsparteien, für Bereitschaft zum Waffenstillstand und für Frieden.«
Ich bin davon überzeugt, dass unser Gebet zum Frieden beiträgt – auch wenn wir das nicht sofort sehen. Deshalb bete ich regelmäßig für Menschen, die unversöhnt und friedlos leben. Zwischenmenschliche Konflikte werden weder durch Streit, Gewalt oder Schweigen beendet. Selbst einseitige Versöhnungsbereitschaft bringt noch keinen Frieden. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass Gott Herzen anrührt und zur Versöhnung bereit- macht – in der Ukraine, in Russland, in Israel und unter uns. So kann ich zur Frage nach dem Friedensweg nur den Apostel Paulus bemühen: Seid beharrlich im Gebet! (Kolosser 4,2) Sr. Esther Selle, Oberin der Ev.-Luth. Diakonissenanstalt Dresden e.V.
Frieden ist ein Geschenk, das hatten wir fast vergessen. Es sind so viele Orte auf der Welt, wo Krieg und Gewalt toben. Die haben wir zu wenig gesehen. Jetzt ist uns der Krieg so nahe, dass wir Angst bekommen. Frieden wird nicht auf dem Schlachtfeld gewonnen. Er wird auch nicht von allein. Frieden muss vorbereitet werden.
Es braucht Menschen, die sich auf den Weg des Friedens begeben: der Angst widerstehen, dem Hass keinen Raum geben, Menschen in den Kriegsgebieten und auf der Flucht vor Gewalt unterstützen, ihre Verantwortung für Entspannung und Verhandlungen einsetzen. Und es wird immer zu wenig sein, was wir für den Frieden tun. Ich erinnere mich an meine Entscheidung, den Wehrdienst bei den Bausoldaten abzuleisten. Es war ein Schritt weg von den Waffen. Aber war es genug, wenn wir dann für das Militär gebaut haben?
Beten wir, ohne nachzulassen, für den Frieden, für die leidenden Menschen, für friedfertige Verantwortliche und hoffen wir auf das Wunder, das Gott schenken kann. Michael Zimmermann, Friedensbeauftragter der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens
Seit einem Jahr muss ich aushalten, dass kein Frieden in der Ukraine absehbar ist, sich die Kampfhandlungen ausweiten, auch Deutschland Waffen liefert. Als Friedensengagierte ist das für mich schwer verkraftbar und mit meinem pazifistischen Denken eigentlich unvereinbar. Ich jedoch lebe im Frieden. Für Ukrainerinnen und Ukrainer ist der Krieg zum Alltag geworden. Sie sind die Opfer. Von ihnen her sollte ich langfristig denken.
Putin scheint nur die Sprache der Gewalt zu verstehen. Diplomatie ist bisher gescheitert. Gewalt löst Konflikte nicht. Aber sie bringt Waffen zum Schweigen und schafft damit eine Voraussetzung für Verhandlungen.
Leider haben auch die Kirchen bisher als Vermittler versagt. In meiner Hilflosigkeit bleibt mir nur, Geduld zu bewahren, keine Feindbilder gegen Russen zu schüren, die Hoffnung nicht zu verlieren und für den Frieden zu beten. Annemarie Müller, Dresden
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