Zurück ins Paradies
Gärtnern und die Beschaulichkeit der Landidylle werden immer beliebter – sogar in der Stadt. Ist das eine Flucht aus der Realität oder Teil einer Sehnsucht, die zu Gott hinführen kann?
Die Vögel im Garten zwitschern so laut, als müssten sie die verlorenen Wintermonate nachholen. Ein Frühlingsschauer lässt die Farben kräftig erscheinen: die frisch umgegrabene braune Erde, das grüne Moos auf den Steinen, die zartrosa Blüten an den Bäumen.
Der Frühling fällt in unseren Breitengraden in die Zeit um Ostern und scheint wie ein Sinnbild für die Auferstehung Jesu. Er ist die Rückkehr des Lebens, ein Aufbruch. Wenn dann der Mensch die Erde umgräbt, Samen sät, Pflanzen hegt bis er ernten kann, fühlen sich viele ganz bei sich selbst. Das Gärtnern birgt etwas Meditatives, ist ein Gegenpol zur Hektik unseres Alltags und erfreut sich großer Beliebtheit, auch bei den Jungen und Städtern.
Pfarrer Thomas Schönfuß, der im Haus der Stille in Grumbach Menschen bei der Meditation begleitet, bestätigt: »Das Bedürfnis nach Einkehr, nach Stille und Selbstbefragung nimmt zu. Wir spüren, dass uns etwas verloren gegangen ist. Die Unmittelbarkeit, die ich erlebe, wenn ich mit den Händen in die Erde greife, ist Teil der Sehnsucht, zurück zu meiner Bestimmung zu finden.«
Jede Form der Meditation beginne mit einer Übung der Körperwahrnehmung, so Schönfuß, um im Hier und Jetzt anzukommen. Der Pfarrer schickt Teilnehmer von Einkehrtagen deshalb gerne in den Garten: »Ich empfehle, sich nacheinander auf die fünf Sinne zu konzentrieren. Einen Baum anzufassen und die Rinde zu spüren, mehrere Minuten konzentriert auf einen Quadratmeter Wiese zu schauen und zu entdecken, was es dort zu sehen gibt, oder die Augen zu schließen und bewusst Töne und Laute zu hören.«
Auch in Klöstern ist der Garten zentral. »In den abendländischen Klöstern galt das ora et labora – die Urbarmachung und Kultivierung der Einöde spielte eine wichtige Rolle«, erklärt Peter Zimmerling, Professor am Institut für Praktische Theologie an der Uni Leipzig. So seien Wein und Obstbäume erstmals östlich des Rheins angebaut worden. »Das Wissen um Heilkräuter stand in den Klöstern auch für das seelische Heil«, so Zimmerling. Schon den Mystikern des Mittelalters diente der Klostergarten mit seinem Labyrinth als »Gegenpol des Zweckrationalen, als Weg zur Entschleunigung«.
Klostergärten sind Sinnbild für das Paradies, den Garten Eden, und erinnern an den Schöpfungsauftrag: »Und Gott der Herr pflanzte einen Garten Eden gegen Osten hin ... Und Gott der Herr nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte.«
Dieser »paradiesische Zustand« wie er im 1. Buch Mose beschrieben wird, stehe für »das schöne Gefühl, in einem Garten Ruhe, Leben und Wonne zu finden, das auf den Urzustand zwischen Gott und Mensch übertragen wird«, sagt Roland Biewald, Professor für Religionspädagogik an der TU Dresden. Da Gott den Garten pflanzt, sei er Geber des »guten Lebensraumes«. Der alttestamentliche Garten sei auch immer als Gegenstück zur Wüste zu verstehen, als Oase. »Dort ist Leben, in der Wüste ist Tod«, so Biewald.
Peter Zimmerling weist auf die Bedeutung des Wassers hin, die den Garten erst möglich macht. Auch von Christus fließen Ströme lebendigen Wassers – ein starkes Bild inmitten der Wüste. »Die Quelle als Lebensstrom findet sich im Garten Eden genauso wie im himmlischen Jerusalem in der Offenbarung am Ende der Bibel. Dort steht sie für die Erneuerung des Urzustandes.« Der Garten ist Symbol für das Leben und damit für Gott. Hier wird Gott als Schöpfer erfahrbar.
»Aber Vorsicht!«, mahnt Roland Biewald. Das habe nichts mit Naturromantik oder Naturreligionen zu tun. »Im christlichen Glauben ist die Natur ein Abglanz des Schöpfers, so wie der Mensch auch.« Eine bestimmte Seite Gottes sei hier zu finden, aber »Gott ist immer mehr als die Natur.«